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       # taz.de -- Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) über den Spagat zwischen Bürgernähe und Terrorabwehr: „Verlorene Zeit einholen“
       
       > Innensenator Mäurer (SPD) reformiert die Bremer Polizei. Bürgernähe und
       > Terrorabwehr will er dabei unter einen Hut bringen. Zur Kostenfrage hält
       > er sich bedeckt.
       
   IMG Bild: Nur ästhetisch gelungen: der Polizei-Einsatz am Bremer „Terror-Wochenende“.
       
       taz: Herr Mäurer, warum reformieren Sie die Polizei? 
       
       Ulrich Mäurer: Seit der letzten Reform vor über zehn Jahren hat sich die
       Situation sehr verändert. Terrorismus war in der heutigen Form damals noch
       kein derartig großes Problem. Wir haben heute das Phänomen des Salafismus
       und wir haben Deutsche, die in Syrien kämpfen. Das sind relativ neue
       Entwicklungen. Darauf müssen wir nun antworten.
       
       Warum jetzt? 
       
       Ich hätte schon gerne ein Jahr früher damit angefangen, aber der
       Untersuchungsausschuss hat uns zunächst davon abgehalten. Wir werden die
       verlorene Zeit einholen und dieses Projekt zeitnah abschließen.
       
       Was wird sich für die BürgerInnen ändern? 
       
       Die Polizei war bisher in sehr komplexen Strukturen organisiert, dies wird
       nun einfacher. Wer beispielsweise in Walle eine Anzeige aufgeben wollte,
       musste mitunter lange warten, obwohl 20 PolizistInnen um ihn herum ein- und
       ausgehen. Das liegt daran, dass es in Walle zwei Standorte gibt: den
       Bürgerservice und den Einsatzstandort. Für BürgerInnen ist es jedoch nicht
       erkennbar, dass das zwei unterschiedliche Bereiche sind.
       
       Wie werden Einsatzbereiche konzentriert? 
       
       Bisher bestand die Polizei aus acht Direktionen. Zukünftig wird es nur drei
       große Säulen geben. Damit wollen wir effektiver werden und Reibungsverluste
       vermeiden.
       
       Bis wann soll die Reform endgültig abgeschlossen sein? 
       
       Die Planungsphase muss bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Zum 15.
       August wurden die wesentlichen personellen Weichen gestellt. Die neuen
       Zuständigkeiten sind personell bereits abgesichert. Weiteres wird im
       laufenden Betrieb entwickelt.
       
       An welchen Städten und Ländern haben Sie sich orientiert? 
       
       Wir haben uns die Lage in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Berlin
       angeschaut. Es gibt jedoch kein fertiges Modell, das wir einfach nur
       kopieren können. Bremen ist besonders. Die Idee der gemeinsamen
       Landespolizei mit Bremerhaven wurde abgelehnt, daher ist Bremerhaven von
       der Reform auch nicht betroffen.
       
       Wie reagieren die Polizeigewerkschaften darauf? 
       
       Der Personalrat hat dem Projekt zugestimmt. Wir achten darauf, dass dieser
       sowie GewerkschaftsvertreterInnen den Prozess eng begleiten. Wir möchten,
       dass sie sich und ihre Vorschläge einbringen, um eine vernünftige Struktur
       für die Zukunft bekommen.
       
       Wird es mehr Personal geben? 
       
       Die Zahl der PolizistInnen wird von 2.450 auf 2.600 erhöht. Die ersten
       werden jedoch erst in drei Jahren da sein, sie müssen ja schließlich erst
       ausgebildet werden. Solche Dinge brauchen Zeit. Angestellte im IT-Bereich
       müssen nicht zwangsweise PolizeibeamtInnen sein, sondern können auch
       qualifizierte SeiteneinsteigerInnen sein.
       
       Kostet die Reform Geld? 
       
       Das wird sich noch zeigen.
       
       Welchen Stellenwert besitzt Bürgernähe? 
       
       Das ist für uns sehr wichtig. Wir hatten 100 KontaktpolizistInnen im
       Einsatz. Im Jahr 2018/19 werden es wieder genauso viele sein. Diese Zahl
       ist gesetzt. Die Kontaktbeamten dienen als AnsprechpartnerInnen für
       BürgerInnen vor Ort. Ich kann mir zudem vorstellen, dass wir dieses System
       ausweiten.
       
       Wo steht die Bremer Polizei im bundesweiten Vergleich? 
       
       Sie ist stark belastet, die Herausforderungen sind groß. Bremen ist kein
       Dorf, sondern gehört zu den zehn größten Städten der Bundesrepublik. Daher
       gibt es viele Probleme, was Kriminalität angeht, Stichwort:
       Wohnungseinbrüche. Auch deswegen brauchen wir die Aufstockung.
       
       Die Gewerkschaft der Polizei fordert eine bessere Abstimmung der
       Sicherheitsbehörden. Wird es die geben? 
       
       Wir sind da inzwischen schon sehr weit. Wir haben seit Jahren feste
       Prozesse in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Da
       sehe ich keinen Nachholbedarf. Wir haben aus vergangenen Fehlern gelernt
       und eine Kultur der Zusammenarbeit entwickelt.
       
       In jüngerer Zeit wurde kritisiert, Bremen sei für Anschläge nicht
       gewappnet. Ist die Reform eine Reaktion darauf? 
       
       Diese Reform berücksichtigt die neuen Herausforderungen. Jetzt haben wir
       größere Einheiten mit Schutzwesten ausgestattet und mit Langwaffen.
       Außerdem werden wir demnächst ein gepanzertes Fahrzeug erhalten.
       
       Die Opposition spricht von Aktionismus … 
       
       Wenn man sich über Monate überlegt, was man macht, ist das das Gegenteil
       von Aktionismus.
       
       Polizeipräsident Lutz Müller wird zusätzlich Abteilungsleiter im
       Innenressort. Hat er genug Zeit für beide Positionen? 
       
       Wenn man die Dinge unverändert ließe, geht das natürlich nicht. Man kann
       nicht Polizeipräsident und Abteilungsleiter parallel sein. Er wird in
       seiner Funktion als Polizeipräsident entlastet. Die Leiter der drei Säulen
       Einsatz, Ermittlung und zentrale Dienste nehmen ihm einen Teil seiner
       Aufgaben ab. Früher war das getrennt, jetzt ist es in einer Hand.
       
       Kontrolliert er sich jetzt selbst? 
       
       Selbstverständlich nicht. Über ihm steht die Behördenleitung.
       
       Der Abschnitt „Interne Ermittlungen“ ist kein regulärer Teil der Polizei,
       sondern dem Senator für Inneres unterstellt. Bleibt es dabei? 
       
       Dafür war früher der Polizeipräsident persönlich zuständig. Für mich war
       das keine gute Lösung, weswegen ich ihm diese Zuständigkeit genommen habe.
       Damit er in seiner neuen Funktion im Innenressort nicht wieder dafür
       verantwortlich ist, sind interne Ermittlungen auch hier nicht in seinem
       Zuständigkeitsbereich.
       
       18 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Krüger
       
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