URI: 
       # taz.de -- Kommentar Erdoğans Syrienpolitik: Probleme mit der Realität
       
       > Der Syrienkrieg hat brutale Auswirkungen auf die Türkei. Diese will
       > Erdoğan abmildern. Aber er wird das Land tiefer in den Morast
       > hineinziehen.
       
   IMG Bild: Freund der großen Geste: Erdoğan
       
       Der blutige Anschlag auf die kurdische Hochzeitsgesellschaft in Gaziantep,
       der vermutlich vom sogenannten Islamischen Staat (IS) in Auftrag gegeben
       wurde, zeigt, wie tief die Türkei bereits in den syrischen Bürgerkrieg
       verstrickt ist. Aus Rache für den Sieg kurdischer Milizen in der syrischen
       Stadt Manbidsch sterben 51 Menschen im südostanatolischen Gaziantep. Nur
       wenige Stunden vor dem Anschlag hatte der türkischen Ministerpräsident
       Binali Yıldırım angekündigt, die Türkei werde sich in den kommenden Monaten
       aktiver in Syrien einmischen.
       
       Die meisten Türkinnen und Türken dürften das als Drohung aufgefasst haben,
       denn der Ehrgeiz von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, als Pate der Sunniten
       in Syrien und anderen Teilen des Nahen Osten wieder zum großen regionalen
       Player aufzusteigen, ist ja gerade der Grund, warum der Krieg nun über die
       Grenze in die Türkei kommt.
       
       Dabei hat sich Erdoğan heillos im komplizierten Interessengeflecht in
       Syrien verstrickt. Weil der IS und die syrischen Kurden sich seit der
       Schlacht um die syrische Grenzstadt Kobani erbittert bekriegen, hat Erdoğan
       lange den IS in der Türkei geduldet und dadurch die USA gegen sich
       aufgebracht.
       
       Die unterstützen nun die Kurden, was wiederum Erdoğan in Rage versetzt.
       Weil die andere Großmacht Russland aufseiten Assads kämpft, den Erdoğan
       stürzen will, um seine sunnitischen Muslimbrüderfreunde an die Macht zu
       bringen, hat er sich zeitweilig mit beiden Supermächten angelegt.
       
       ## International völlig isoliert
       
       Das Ergebnis war eine international völlig isolierte Türkei, die von
       Anschlägen des IS und der PKK gleichzeitig erschüttert wurde. Jetzt will
       Präsident Erdoğan aus dem syrischen Sumpf heraus und wird die Türkei dabei
       wahrscheinlich sogar noch tiefer in den Morast hineinziehen.
       
       Es sei denn, Erdoğan ist endlich bereit, die realen Kräfteverhältnisse in
       Syrien und im Nahen Osten insgesamt zu akzeptieren. Eine Regierung der
       Muslimbrüder in Damaskus wird es so schnell nicht geben, das dürfte
       mittlerweile auch der türkische Präsident akzeptiert haben. Aber auch eine
       kurdische Autonomie im Norden Syriens wird Erdoğan gegen den Willen der USA
       und Russlands nicht verhindern können.
       
       Je schneller die Türkei diese Realität anerkennt, desto schneller wird der
       Terror in der Türkei enden.
       
       21 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Gaziantep
   DIR „Islamischer Staat“ (IS)
   DIR PKK
   DIR Russland
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Binali Yıldırım
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR USA
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Syrien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Selbstmordanschlag in Gaziantep: Drei Polizisten bei Razzia getötet
       
       Die türkische Polizei ging mit einer Razzia gegen eine mutmaßliche Zelle
       des IS vor. Die Extremisten sprengten sich dabei in die Luft.
       
   DIR PKK gibt sich wieder gesprächsbereit: Besuch bei Öcalan im Gefängnis
       
       Der jüngere Bruder des PKK-Führers bringt den Kurden im Osten aus dem Knast
       eine Friedensbotschaft. Die ist auch an die Regierung gerichtet.
       
   DIR Türkische Offensive auf syrischem Gebiet: Dscharablus eingenommen
       
       Türkische Truppen und syrische Milizen haben die Stadt Dscharablus vom IS
       eingenommen. Kritik kommt aus Damaskus, Russland und von den syrischen
       Kurden.
       
   DIR Kommentar Türkische Panzer in Syrien: Erdoğan markiert sein Revier
       
       Der Kampf gegen den IS ist kaum mehr als ein Vorwand für den Einmarsch in
       Syrien. Mit dem aktiven Kriegseintritt steckt Ankara Einflusszonen ab.
       
   DIR Türkei greift in den Syrienkrieg ein: Die Panzer stehen bereit
       
       Die Türkei zieht Kämpfer syrischer Milizen und eigene Truppen an der Grenze
       zusammen. Der Angriff auf den IS soll auch die Kurden schwächen.
       
   DIR Umkämpfte Stadt in Syrien: Einigung auf Waffenruhe in Hassaka
       
       Nach zweitägigen Verhandlungen verkünden die syrische Armee und kurdische
       Kämpfer die „Einstellung aller Feindseligkeiten“ und einen Teilrückzug.
       
   DIR Die Türkei und der Krieg in Syrien: Assad ist nur noch halb so schlimm
       
       Ankara lotet neue Möglichkeiten der türkischen Syrienpolitik aus. Der
       Konflikt mit den USA eskaliert, doch andere Verbündete warten bereits.
       
   DIR Gewalt gegen Kurden in der Türkei: Blutiger Anschlag auf Hochzeitsfeier
       
       Die Bombe explodierte mitten in der Festgesellschaft: Während einer
       Hochzeitsfeier in Gaziantep wurden mehr als 50 Menschen getötet.
       
   DIR Kommentar Kurden in Syrien: Vorprogrammierter Türkei-Konflikt
       
       Die Erfolge der Kurden in Syrien sorgen die türkische Regierung. Die
       westliche Unterstützung für die YPG wird als schwerer Affront gesehen.