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       # taz.de -- Jörn Kruse über Parallelgesellschaften: „Ich bin ein liberaler Mensch“
       
       > Jörn Kruse, Fraktionschef der AfD in der Hamburger Bürgerschaft, über
       > Parallelgesellschaften, Multi-Kulti und rechtsextreme Tendenzen in der
       > AfD
       
   IMG Bild: Will die AfD vor einem Rechtsruck bewahren: Jörn Kruse
       
       taz: Herr Kruse, Sie sagten unlängst, Sie würden sich für einiges in der
       AfD „schämen“ und hielten das Bundesprogramm in Teilen für „schwachsinnig“.
       Stehen Sie noch dazu? 
       
       Jörn Kruse: Zu diesen Formulierungen stehe ich nicht mehr. Ich war einfach
       furchtbar enttäuscht über manche Beschlüsse. Heute würde ich sagen, das
       Programm ist stark überarbeitungsbedürftig.
       
       Warum sind Sie noch in der AfD? 
       
       Meine Kritik bezog sich auf die Bundespartei, nicht auf die Hamburger. Und
       mein Nachfolger als Parteivorsitzender hier in Hamburg, Bernd Baumann,
       macht gute Arbeit, damit bin ich einverstanden.
       
       Baumann will „durch links-grüne Ideologie zerstörte Grundlagen
       abendländischer Gesellschaften wieder zum Leben erwecken“. Was dürfen wir
       uns darunter vorstellen? 
       
       Diese Formulierung würde ich nicht zu meiner machen. Das ist schon etwas
       zugespitzt. Den Untergang des Abendlandes würde ich nicht beschwören.
       
       Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf war Mitglied der Republikaner, ist Alter
       Herr der Burschenschaft „Danubia“, die vom Verfassungsschutz beobachtet
       wird, und bezeichnet sich als „nationalliberal“: Auch nicht Ihre Worte? 
       
       Mit Nationalismus habe ich nichts am Hut. Ich bin im Kern ein liberaler
       Mensch.
       
       Warum sind Sie dann in der AfD zusammen mit Männern, die solche Dinge
       sagen? 
       
       Ich habe immer noch die Hoffnung, dass die AfD eine konservativ-bürgerliche
       Partei bleibt oder wird. Wenn Leute wie ich die Partei verlassen würden,
       würde sie möglicherweise nach rechts unten abrutschen. Das will ich
       verhindern.
       
       Sie wollen die AfD davor bewahren, rechtsextrem zu werden? 
       
       Ja, nicht ich persönlich, aber Leute wie ich. Viele davon, die das
       intellektuelle Rückgrat der Partei gebildet haben, sind leider im Sommer
       2015 ausgetreten. Das war ein schwerer Fehler. Leute wie ich machen
       deutlich, dass es in der Partei auch noch zahlreiche bürgerlich-liberale
       Kräfte gibt. Die stehen dafür, dass die AfD fest auf dem Boden unserer
       freiheitlichen Verfassung und in der Mitte der Gesellschaft verankert
       bleibt.
       
       Aus anderen Fraktionen in der Bürgerschaft ist zu hören, dass die AfD sich
       der parlamentarischen Arbeit meist verweigert und sich als Opfer der
       etablierten Parteien geriert. 
       
       Das ist kompletter Unsinn und eine vorsätzliche Verleumdung. In der
       parlamentarischen inhaltlichen Diskussion fällt ihnen häufig nicht viel
       ein. Die grenzen uns aus, zum Teil auf Anweisung ihrer Parteiführungen in
       Berlin. Das sieht man zum Beispiel daran, dass keiner unserer Anträge zur
       Beratung in einen Ausschuss überwiesen wird, wie das eigentlich üblich ist.
       Die werden rundweg abgelehnt, bloß weil sie von uns kommen.
       
       Das Hamburgische Verfassungsgericht hat Ende Juli die Klage der AfD gegen
       die Bürgerschaft als unzulässig abgewiesen. Sie wollten ihre
       Berücksichtigung in der Härtefallkommission erstreiten, die Ihnen nach
       Ihrer Auffassung von der Parlamentsmehrheit versagt wird. Wie geht es jetzt
       weiter? 
       
       Das Verfassungsgericht hat sich für „nicht zuständig“ erklärt und uns
       empfohlen, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Das werden wir jetzt
       machen.
       
       Sie erheben Klage vor dem Verwaltungsgericht? 
       
       Ja. Wir werden unser Recht einklagen.
       
       Parlamentspräsidentin Carola Veit (SPD) hat nach dem Spruch des
       Verfassungsgerichts ein vermittelndes Gespräch mit allen Fraktionen
       angeboten. Werden Sie das also nicht annehmen? 
       
       Das hat sie der Presse gesagt. Wir haben noch kein derartiges Angebot von
       ihr erhalten.
       
       Würden Sie es denn annehmen? 
       
       Natürlich.
       
       Eines ihrer ursprünglich neun Fraktionsmitglieder hat die AfD bereits durch
       Austritt verloren. Haben Sie die Hoffnung, dass die Restfraktion die
       Legislaturperiode durchhält? 
       
       Ja, natürlich. Der Einzige, der nicht zu uns passte, ist weg. Ich bin
       zuversichtlich, dass die Fraktion jetzt stabil ist.
       
       Sie selbst wollen Fraktionschef bleiben und stellen sich im September zur
       Wiederwahl? 
       
       Ja.
       
       Wie stehen Ihre Chancen? 
       
       Das wird sich dann zeigen.
       
       21 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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