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       # taz.de -- Entlassungen bei Computerspiel-Hersteller: Kahlschlag im Zocker-Himmel
       
       > Die Chefs der Hamburger Goodgame Studios kündigen Entlassungen an.
       > Beschäftigte hatten eine Betriebsratsgründung abgelehnt.
       
   IMG Bild: Goodgame Studios in Hamburg: Pool im Garten, Freibier am Abend, aber kein Betriebsrat
       
       HAMBURGN taz | Das Fiasko kommt schneller, als gedacht: Nur sieben Monate,
       nachdem die Belegschaft des Computerspiele-Entwicklers [1][Goodgame
       Studios] mit 63 Prozent gegen die Einsetzung eines Wahlvorstandes zur
       Betriebsratswahl votiert hat, kündigen die Inhaber an, „mehrere Hundert“
       der 1.100 Arbeitsplätze in der Firma abzubauen. Von bis zu 600 Stellen ist
       die Rede.
       
       Die Stellen sollen ab September durch Abfindungen und Kündigungen abgebaut
       werden. „Ziel der Umstrukturierung ist ein klarer Fokus auf die
       Kernkompetenzen von Goodgame Studios“, sagt Goodgame-Sprecher Dirk Hensen.
       Die Produktion von einfachen, leicht zugänglichen Spielen und Spielen für
       den PC werde aufgegeben.
       
       Damit kommt für die Belegschaft die Quittung , dass sie sich Anfang des
       Jahres von den Inhabern und vom Management gegen eine
       betriebsverfassungsrechtliche Belegschaftsvertretung hat aufwiegeln lassen.
       
       Dabei hätten die Alarmsirenen heulen müssen, als im Dezember vorigen Jahres
       plötzlich querbeet [2][28 Software-Entwickler, Spieledesigner und
       Marketingspezialisten vor die Tür gesetzt] wurden. Es waren allesamt
       MitarbeiterInnen, die sich mit der Gewerkschaft Ver.di für einen
       Betriebsrat stark gemacht hatten.
       
       ## Feelgood-Management und Öko-Frühstück
       
       Für sie war das von Firma gepflegte Image bloß ein Trugbild. Goodgames
       präsentiert sich als Firmen-Familie. Man duzt sich – wobei freilich nur
       Englisch gesprochen wird. Eine „Feelgood-Managerin“ sorgt dafür, dass man
       sich wohlfühlt. Es gibt einen Garten mit Pool, Freibier am Abend und
       Öko-Frühstück in der Cafeteria.
       
       Viele Beschäftigten hätten sehr wohl bemerkt, dass sie sich blenden ließen
       und von der Firma ausgenutzt wurden, sagte damals Ver.di-Sekretärin
       Gabriele Weinrich-Borg: „Das positive Image dieses Unternehmens deckt sich
       nicht mit dem Umgang mit seinen Beschäftigten.“ Es gebe nur vier Wochen
       Jahresurlaub, viele zeitliche Befristungen und für einige Mitarbeiter
       gerade mal den Mindestlohn.
       
       Doch die Firmengründer Kai und Christian Wawrzinek schafften es, sich als
       Opfer darzustellen: Ihre Firma, die 2009 mit zwölf Mitarbeitern begonnen
       und sich zum Marktführer gemausert hat, werde von „Feinden“ von außen
       angegriffen, um die „Goodgame-Familie zu zerstören“. Zudem sei ein
       Betriebsrat „old-fashioned“, hip sei eine Mitarbeitervertretung wie ein
       „Employee Committee“, auch wenn dieses über keine
       betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse verfüge.
       
       ## Abfindungsgefeilsche ohne Druckmittel
       
       Die Gewerkschaft Ver.di geht davon aus, dass Inhaber und Management bereits
       damals Umstrukturierungspläne geschmiedet haben. „Dass der Höhenflug in der
       globalen Branche nicht so anhalten würde, war abzusehen“, sagt
       Ver.di-Sprecher Björn Krings. Mit einem Betriebsrat hätten bei Entlassungen
       Interessenausgleichsverhandlungen geführt und ein Sozialplan abgeschlossen
       werden müssen.
       
       Ein Betriebsrat hätte bei den betriebsbedingten Kündigungen ein
       Mitbestimmungsrecht gehabt. Das fällt in der Tat nun alles weg –
       individuelles Abfindungsgefeilsche ohne Druckmittel ist angesagt.
       
       22 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.goodgamestudios.com/de/
   DIR [2] /Attacke-auf-betriebliche-Mitbestimmung/!5258829
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
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