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       # taz.de -- Erfolg der Taliban in Afghanistan: Schleichende Einkreisung der Städte
       
       > Die Taliban greifen zeitgleich in mindestens acht Provinzen an und
       > erzielen bei ihrer Offensive immer größere Geländegewinne.
       
   IMG Bild: Regierungssoldaten kämpfen an einem Posten vor der nördlichen Provinzhaupstadt Kundus, hier bereits im April
       
       BERLIN taz | Die seit Wochen anhaltende Offensive der Taliban in
       Afghanistan erlebt zurzeit einen neuen Höhepunkt. Die Aufständischen
       griffen in den letzten Tagen in 8 von insgesamt 34 Provinzen des Landes
       Distriktzentren sowie Stützpunkte der bewaffneten Regierungskräfte an.
       
       Am problematischsten sieht die Lage in Helmand im Süden sowie Kundus im
       Norden aus. In Helmand wird in zwei Distrikten vor den Toren der
       Provinzhauptstadt Laschkargah gekämpft. Sie waren bisher als einzige in der
       Provinz noch weitgehend talibanfrei. Die Verbindungsstraße in die
       Regionalhauptstadt Kandahar in der gleichnamigen Nachbarprovinz ist seit
       mindestens zwei Wochen unterbrochen – und damit auch der Landweg für
       Nachschub – sowohl für die Regierungstruppen als auch für die
       Zivilbevölkerung.
       
       Auch in Kundus wurde am Montag in einem Vorort der gleichnamigen
       Provinzhauptstadt gekämpft, die schon im Frühherbst 2015 für zwei Wochen
       den Taliban in die Hände gefallen war. Die Kämpfe dort waren seither nie
       wirklich abgeflaut. Die Taliban kontrollieren die Zentren von zwei der fünf
       ländlichen Distrikte und die meisten Gebiete der anderen drei.
       
       Drei weitere Distriktzentren – je eines in Kundus, Tachar und Baghlan –
       fielen im Verlauf der letzten Woche kurzzeitig an die Aufständischen und
       mussten von Regierungskräften mühselig zurückerobert werden.
       
       ## Armee hält nur noch manche Hauptorte
       
       Am Sonntag attackierten die Taliban auch in der Ostprovinz Nangarhar und in
       der Provinz Logar, gleich südöstlich der Hauptstadt Kabul. Zudem beschossen
       sie das Polizeihauptquartier von Paktia mit Mörsern. Seit mehreren Tagen
       wird auch in der Nordprovinz Sarepul gekämpft.
       
       Beunruhigend ist auch, dass aus einigen Provinzen gar keine Berichte
       kommen. Ähnlich wie in Kundus hält die Regierung dort nur noch einige
       Hauptorte.
       
       In Kundus fürchteten zahlreiche Einwohner und Mitarbeiter der Verwaltung
       eine Wiederholung der Vorgänge von September 2015 und flohen zum örtlichen
       Flughafen, der außerhalb der Stadt liegt und im vorigen Jahr als einziger
       Teil der Stadt knapp nicht von den Taliban erobert wurde. Dort werden die
       Regierungstruppen von US-Spezialkräften sowie einer kleinen Gruppe
       Bundeswehrberater unterstützt. Letztere dürfen aber nicht direkt in die
       Kämpfe eingreifen.
       
       Kundus war bis 2013 Hauptstationierungsort der Bundeswehr in Afghanistan
       und liegt weiterhin – wie auch Tachar, Baghlan und Sarepul – im
       Verantwortungsbereich des von deutschen Offizieren geführten regionalen
       Hauptquartiers der neuen Nato-Mission „Resolute Support“ in der Stadt
       Masar-i-Scharif.
       
       Auch wenn den Taliban bisher der große Coup – die Einnahme einer weiteren
       Provinzhauptstadt – nicht gelungen ist, rücken sie weiter systematisch vor.
       Wie im Norden Helmands kontrollieren sie nun auch im Drei-Provinzen-Eck von
       Kundus, Baghlan und Tachar zusammenhängende Gebiete und bedrohen auch dort
       wichtige Straßenverbindungen.
       
       ## Die Taliban haben die Initiative
       
       Die Taliban und nicht die Regierungstruppen haben weiter die Initiative,
       auch wenn Kabul immer wieder große, und wahrscheinlich übertriebene,
       Verluste der Angreifer meldet. In afghanischen Medien beschweren sich
       Soldaten immer wieder über ausbleibenden Nachschub und mangelnde
       Koordination zwischen ihren Vorgesetzten.
       
       Derweil gerät die Zivilbevölkerung immer mehr zwischen die Fronten. In
       Helmand sind laut der italienischen Hilfsorganisation Emergency, die dort
       und in Kabul Krankenhäuser betreibt, allein in der zweiten Julihälfte
       30.000 Menschen in die Provinzhauptstadt geflohen.
       
       Die Zahl der Binnenvertriebenen liegt inzwischen landesweit bei über 1,2
       Millionen, die meisten Menschen flohen vor Kämpfen.
       
       23 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Ruttig
       
       ## TAGS
       
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