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       # taz.de -- Gutachten zur Vorratsdatenspeicherung: Die katalogisierte Bevölkerung
       
       > Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs fordert eine strenge
       > Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Diese sollen nationale Gerichte
       > vornehmen.
       
   IMG Bild: Da gehen sie durch, die vielen Daten. Und am Ende sind wir alle katalogisiert
       
       Luxemburg taz | Vorratsdatenspeicherungen verstoßen nicht generell gegen
       EU-Recht. Zu diesem Schluss kam der unabhängige Generalanwalt Henrik
       Saugmansgaard Oe in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof
       (EuGH). Das Verfahren hat auch Bedeutung für die Rechtslage in Deutschland.
       
       Das EuGH-Verfahren betrifft Gesetze aus Schweden und Großbritannien. Es
       wird aber europaweit genau beobachtet, weil die EuGH-Richter 2014 die
       EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßig und damit
       für ungültig erklärten. Seitdem hat die EU keine neue Richtlinie
       eingeführt. In den meisten EU-Staaten werden aber die Telefon- und
       Internet-Verkehrsdaten immer noch anlasslos auf Vorrat gespeichert. In
       Deutschland wurde Ende 2015 die Wiedereinführung beschlossen.
       
       Der EuGH muss nun aufgrund von Richtervorlagen prüfen, ob die schwedischen
       und britischen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung mit EU-Recht vereinbar
       sind. Maßstab ist EU-Richtlinie zum Datenschutz in der elektronischen
       Kommunikation von 2002.
       
       Der Generalanwalt legte jetzt sein Gutachten vor, das das EuGH-Urteil
       vorbereitet. Er erklärte, dass es im EU-Recht kein generelles Verbot von
       Vorratsdatenspeicherungen gebe. Allerdings müssten die meisten der 2014
       aufgestellten EuGH-Vorgaben auch bei nationalen Gesetzen beachtet werden.
       So dürften die Daten nur zur Aufklärung schwerer Kriminalität genutzt
       werden. Vorab müsse ein Gericht den Abruf genehmigen. Dabei müsse auch nach
       Art der Daten differenziert werden.
       
       Die schwedischen und britischen Gesetze müssen wohl nachgebessert werden.
       Für das deutsche Gesetz sind die Vorgaben aber wohl machbar. Der Abruf der
       Daten ist in Deutschland auf schwere Kriminalität beschränkt, es gibt einen
       Richtervorbehalt. Und die Standortdaten von Handys werden kürzer (vier
       Wochen) als die Telefon- und Internet-Verkehrsdaten (zehn Wochen)
       gespeichert. Email-Daten werden gar nicht mehr erfasst.
       
       Relevanter für Deutschland ist die Forderung von Saugmansgaard Oe nach
       einer strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Schließlich werde hier die
       gesamte Bevölkerung „katalogisiert“. Er selbst will diese politisch heikle
       Prüfung allerdings nicht vornehmen, sondern sie den nationalen Gerichten
       überlassen.
       
       Der EuGH wird erst im Herbst entscheiden. In hochpolitischen Verfahren wie
       diesem sind die Anträge des Generalanwalts nur ein vager Anhaltspunkt für
       das spätere EuGH-Urteil.
       
       Az.: C-203/15 u.a.
       
       19 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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