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       # taz.de -- Kommentar Dopingfälle vor Olympia: Die Russen verprellt man nicht
       
       > Wegen Doping alle russischen Athleten von den Spielen ausschließen? In
       > der Funktionärslogik des IOC geht das nicht. Aber es gäbe eine Lösung.
       
   IMG Bild: Schwierig, einen Kumpel rauszuwerfen: IOC-Präsident Thomas Bach mit Wladimir Putin
       
       Gewichtheber aus Bulgarien und Kanuten aus Rumänien und Weißrussland sind
       schon mal nicht dabei, wenn in Rio de Janeiro um olympische Medaillen
       gekämpft wird. Etliche Dopingfälle führten zum Ausschluss der
       Landesverbände. Diese Hemdsärmeligkeit im Antidopingkampf freut zum
       Beispiel die deutschen Kanuten, die nun mit mehr Athleten nach Brasilien
       fahren können.
       
       Es könnte so kurz vor den Sommerspielen noch mehr Nachrücker geben, denn
       das Internationale Olympische Komitee berät darüber, sämtliche russische
       Athleten von den Olympischen Sommerspielen auszuschließen, also knapp 400
       Sportlerinnen und Sportler. Es wäre eine Kollektivstrafe.
       
       Der Report der Internationalen Antidopingagentur Wada, der sich auf die
       Aussagen des ehemaligen Leiters des Moskauer Dopingkontrolllabors, Grigori
       Rodschenkow, stützt, legt so einen Schritt nahe. Warum? Weil die Steuerung
       dirigistisch von oben nach unten erfolgte. Weil das Sportministerium um
       Witali Mutko in führender Rolle beteiligt war. Weil konkrete Dopingpläne
       ausgearbeitet wurden. Weil Proben ausgetauscht und vernichtet wurden. Weil
       positive Befunde vertuscht worden sind.
       
       Die Ermittlungsergebnisse sind eindeutig. Sie zeichnen das Bild einer
       Sportnation, die den olympischen Medaillenkampf wieder in einer Weise
       politisiert und instrumentalisiert hat, wie man das nur aus Zeiten des
       Kalten Krieges kannte. Damals gab es auch Dopingstaatspläne und in den
       Laboren sogenannte Ausreisekontrollen, wodurch sichergestellt wurde, dass
       die Substanzen zur Leistungssteigerung nicht mehr nachweisbar waren, wenn
       die Sportler im Ausland zum Wettkampf antraten.
       
       Was nun besonders für Empörung sorgt, ist die Tatsache, dass es wieder eine
       Zentrale der Manipulation gegeben hat, und nicht, wie in westlichen
       Demokratien üblich, dezentrale nichtstaatliche Dopingcluster wie etwa im
       Fall des Balco-Labors in den USA. Das russische Betrugssystem erscheint
       deswegen monumentaler und perfider, weil es wie in den 70er oder 80er
       Jahren von autokratischer Hand geführt wurde.
       
       ## Russen in irgendeiner Form teilnehmen lassen
       
       Das Internationale Olympische Komitee ist nun in der Bredouille. Es muss
       strafen. Es ist aber unfähig, mit letzter Konsequenz strafen. Der Wille,
       die Russen in irgendeiner Form teilnehmen zu lassen, schimmert bei den
       Erklärungen von IOC-Chef Thomas Bach deutlich durch.
       
       In der Funktionärslogik des IOC geht es nicht ohne die Sportgroßmacht
       Russland, den Zweiten im ewigen olympischen Medaillenspiegel. So eine
       Klientel verprellt man nicht, zumal es über Jahrzehnte gewachsene Allianzen
       und Lobbystränge gibt.
       
       Doch wenn das IOC den Russen die Tür nicht vor der Nase zuschlagen will,
       hilft vielleicht auch in diesem Fall der bisweilen verquere Pragmatismus
       des Sportrechts, den ja schon die bulgarischen Gewichtheber oder die
       weißrussischen Kanuten zu spüren bekommen haben.
       
       Diese Verbände wurden wegen systematischen Dopings gesperrt, weil zwischen
       fünf und elf Athleten innerhalb kurzer Zeit positiv auf verbotene
       Substanzen getestet worden waren. Eine praktikable Lösung könnte nun zum
       Beispiel so lauten: Alle russischen Verbände, bei denen mehr als drei
       Dopingfälle vertuscht worden sind, werden mit einem olympischen Bann
       belegt.
       
       Das beträfe nach dem McLaren-Report der Wada zuallererst die russischen
       Leichtathleten; ihr Einspruch gegen eine Olympiasperre wurde ohnehin am
       Donnerstag vom Sportgerichtshof CAS abgeschmettert. Zuhause bleiben müssten
       nach den Erkenntnissen der Wada aber auch die russischen Gewichtheber,
       Ringer, Kanuten und Schwimmer, die Ruderer, Boxer, Taekwondo-Kämpfer,
       Fechter, Triathleten, Modernen Fünfkämpfer und die Sportschützen.
       
       Segler und Volleyballer jedoch oder die russischen Wasserballerinnen, die
       sich für Olympia qualifiziert haben, könnten nach Rio fahren. Es wäre nur
       ein kleines russisches Olympiateam, aber eins, das vielleicht sogar einen
       Trend setzen könnte. Denn eines ist klar: Diese Spiele müssen sich
       gesundschrumpfen.
       
       21 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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