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       # taz.de -- Country-Album von k.d. lang & Co: Warum allein, wenn es zu dritt geht?
       
       > Vereint in der Liebe zum goldenen Zeitalter des Country: Neko Case, k.d.
       > lang und Laura Veirs haben ein Singer-Songwriter-Album aufgenommen.
       
   IMG Bild: Neko Case, k.d.lang und Laura Veirs (von links)
       
       Einen Song schreibt man immer noch am besten allein oder in klar
       definierter Arbeitsteilung (du Text, ich Musik etc.). Daher sind
       Kollaborationsprojekte im Singer-Songwriter-Fach immer noch eine
       Seltenheit.
       
       Hier kommen nun gleich drei verdienstvolle Vertreterinnen des Genres, um
       gemeinsam zu singen und zu komponieren. Was für ein Statement ist das? K.d.
       lang ist von den drei Damen am längsten dabei, mischte die Musikszene Mitte
       der Achtziger mächtig auf, da sie offen ihre Homosexualität lebte, während
       sie sich als Hard-Country-Sängerin profilierte, sich also in einer Umgebung
       bewegte, die mit Homosexualität bis heute ein Problem hat.
       
       Dennoch gelang es ihr, Legenden wie Owen Bradley, Kitty Wells oder Brenda
       Lee an Bord zu holen, um 1988 ihr einzigartiges Meta-Countryalbum
       „Shadowland“ zu inszenieren. Danach entfernte sie sich mehr und mehr von
       Nashville, horchte nach innen und entwickelte sich zu einer eher
       melancholischen Songwriterin mit einer Big Voice und einem Hang zu nicht
       immer gänzlich überzeugenden Konzeptalbum-Konzepten.
       
       Neko Case, gebürtige US-Südstaatlerin, begann ihre Karriere in langs
       kanadischer Heimat als Schlagzeugerin in diversen Punk-Bands, teilt langs
       Liebe zur Country-Musik des Goldenen Zeitalters und mäanderte auf ihren
       Alben zwischen Retro-Country, Noise Rock, ordentlichem Songwritertum und
       Indie-Whatever, mitunter solo, immer wieder aber auch als Mitglied der New
       Pornographers und in diversen Kollaborationen, etwa mit Jakob Dylan,
       Calexico und The Sadies.
       
       ## Neko Case als treibende Kraft
       
       Vielleicht ist sie die treibende Kraft hinter diesem Album. Nachdem sie
       2015 unter dem Titel „Truckdriver, Gladiator, Mule“ eine Box mit ihrem
       kompletten Solowerk (handelsüblich angereichert) veröffentlichte, musste
       man schon befürchten, sie wolle sich aus dem Schaugeschäft zurückziehen.
       
       Laura Veirs ist mit 42 Jahren nicht nur die Jüngste des Trios, sondern auch
       die, die als letzte auf der Musikszene auftauchte – ihr Debütalbum erschien
       1999. Und sie ist – nach ihrem bisherigen Oeuvre zu urteilen – die
       uninteressanteste der drei: Während Neko Case ein wunderbares Beispiel für
       den Fall einer von ihrer Kreativität vor sich hergetriebenen
       Singer-Songwriterin ist und k.d. lang, wiewohl nicht immer gleichermaßen
       glücklich in der Rahmung ihrer musikalischen Ideen, eine geradezu
       unfasslich großartige Sängerin ist, bleibt Laura Veirs ein bisschen ein
       graues Mäuschen des Songwritings, und der Verdacht steht schwer im Raum,
       dass das damit zu tun hat, dass sie sich erst jenseits der 20 überhaupt für
       Musik ernsthaft zu interessieren begann.
       
       Auf die Gefahr hin, ein sexistisches Klischee zu bedienen: The best thing
       about her is her boyfriend – gerade dieses Album profitiert von der
       souveränen Produktionskunst Tucker Martines, der die besten Songs mit
       schwer verhallter Pedal-Steel- oder Duane-Eddy-Twang-Gitarre und weit
       entfernten Background-Chören kongenial milchig-spätsommerlich einnebelt.
       Damit korrespondiert er exzellent mit langs und Cases Träumen von einer
       surrealen, besseren Welt des Country-Songs.
       
       Aber Martine ist ja ohnehin einer der selten besungenen Meister seines
       Fachs, der nicht nur The Walkabouts, My Morning Jacket oder The
       Decemberists auf der Credit-Liste hat, sondern auch Songwriter wie Beth
       Orton und Jim White, Jazz-Abenteurer wie Wayne Horvitz und nicht zuletzt
       Field Recordings aus Afrika und Asien für das Sublime-Frequencies-Label wie
       das großartige, verstörende „Insect Electronica“-Album „Broken-Hearted
       Dragonflies“. Überhaupt steckt die Schönheit von „case/lang/veirs“ in den
       Details.
       
       An der Oberfläche hat sich keine der drei getraut, das bekannte Terrain zu
       verlassen: Songwriting as usual, könnte man einwenden. Was okay ist. Aber
       in den herrlichen kleinen Background-Chorgesängen, im Loslassen privater
       Retro-Vorlieben bzw. ihrem Einsortieren in größere Sampling-Bibliotheken
       stecken Keimlinge, die bei Neko, k. d. lang und Laura – dann wieder allein
       unterwegs – vielleicht nochmal in den schwierigen Karriereabschnitten als
       Best-Agerinnen zur Blüte gelangen.
       
       7 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Detlef Diederichsen
       
       ## TAGS
       
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       und es ihr immer gelingt.