# taz.de -- Repression in der Türkei: Nun auch gegen die Menschenrechte
> Im Rahmen des Ausnahmezustands will die Regierung die Europäische
> Menschenrechtskonvention teilweise aussetzen. Es wird aber keine
> Ausgangssperre verhängt.
IMG Bild: Die schweigende Masse und ihr Präsident – ein Staat im Ausnahmezustand
Istanbul dpa/afp | Die Türkei setzt nach der Verhängung des
Ausnahmezustands die Europäische Menschenrechtskonvention Medienberichten
zufolge teilweise aus. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus verwies nach
übereinstimmenden Angaben türkischer Medien vom Donnerstag auf Artikel 15
der Konvention, der einen solchen Schritt in Kriegs- oder Notstandszeiten
mit Einschränkungen erlaubt. Auch Frankreich hat die Konvention nach den
Anschlägen von Paris teilweise ausgesetzt, ebenso wie die Regierung in Kiew
wegen der Gewalt in der Ostukraine.
Kurtulmus sagte nach Angaben der Zeitung Hürriyet: „Unser Ziel ist es, den
Ausnahmezustand so kurz wie möglich zu halten.“ Er hoffe, dass er bereits
nach einem bis eineinhalb Monaten wieder aufgehoben werden könne – statt
der verhängten drei Monate. Er sicherte zu: „Es wird keine Ausgangssperre
geben. Bei den Grundrechten werden keine Zugeständnisse gemacht werden.“
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte als Begründung für den
Ausnahmezustand angegeben, effektiver gegen Anhänger des Predigers
Fethullah Gülen im Staatsdienst vorgehen zu können, den er für den
Drahtzieher des am Samstag niedergeschlagenen Putschversuches hält.
In der Konvention ist die Aussetzung bestimmter Grundrechte nicht möglich,
etwa das Recht auf Leben. Das Recht auf Leben ist auch nach der türkischen
Verfassung nicht vom Ausnahmezustand berührt.
## Steinmeier mahnt
Der dreimonatige Ausnahmezustand, den der Staatschef am Mittwochabend
verhängt hatte, wurde am Donnerstag von den meisten türkischen Medien
begrüßt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ermahnte die
türkische Regierung jedoch zur Wahrung der „Verhältnismäßigkeit“. Erdoğan
hatte seine Landsleute zu weiteren Demonstrationen gegen Putschisten
aufgerufen.
„Mein liebes Volk, gib nicht den heroischen Widerstand auf, den Du für Dein
Land, Deine Heimat und Deine Fahne gezeigt hast“, schrieb Erdoğan am
Donnerstagmorgen in einer an sämtliche Handys des Landes versandten
Kurzmitteilung und rief zu neuerlichen Kundgebungen auf. „Die Besitzer der
Plätze sind nicht die Panzer. Die Besitzer sind die Nation“, hieß es in der
RTErdoğan gezeichneten SMS.
Erdoğan hatte während des Putschversuchs von Teilen des Militärs am
Freitagabend im Fernsehen die Türken aufgerufen, sich auf den Straßen den
Putschisten entgegenzustellen. Seine Anhänger waren zu Tausenden dem Appell
gefolgt und hatten damit wesentlich dazu beigetragen, dass der
Putschversuch scheiterte. Seitdem demonstrieren jeden Abend tausende
Menschen in Istanbul, Ankara und anderen Städten.
21 Jul 2016
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