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       # taz.de -- Kurdisch-türkischer Protest in Berlin: Weder Putsch, noch AKP
       
       > In Berlin demonstrieren kurdische und türkische Gruppen gegen Militär und
       > Erdoğan-Regierung. Rund 2.000 Menschen folgten dem Aufruf.
       
   IMG Bild: Die Message ist klar
       
       Berlin taz | „Frieden, Demokratie und Freiheit“ und „Schulter an Schulter
       gegen Faschismus“ waren die beliebtesten Parolen, die am Freitagabend durch
       die Straßen Kreuzbergs hallten. Die Demonstration des „Blocks für
       Demokratie und Frieden“ begann um 18 Uhr am Hermannplatz. Nach Angaben der
       Veranstalter nahmen 2000 Personen und zahlreiche linke und kurdische
       Organisationen teil.
       
       Eine Woche zuvor hatten Teile des türkischen Militärs gegen die Regierung
       geputscht, waren jedoch gescheitert. Seither greift die türkische Regierung
       nicht nur gegen die Putschisten mit aller Härte durch. Staatspräsident
       Recep Tayyip Erdoğan steht in der Kritik, den vereitelten Putsch für die
       eigene Machterweiterung zu instrumentalisieren und Oppositionelle zu
       bekämpfen: Über 50. 000 Angestellte im öffentlichen Dienst wurden seither
       entlassen, viele von ihnen verhaftet. Am Donnerstag verkündete die
       Regierung den Ausnahmezustand.
       
       So lautete das Motto der Berliner Demonstration „Weder Militärputsch, noch
       AKP Diktatur! Die Lösung sind der Frieden und die Demokratie!“ Neben
       kurdisch- und türkischstämmigen Demonstrierenden nahmen linke
       Organisationen und PolitikerInnen am Protest teil, auch Oliver Höfinghoff
       von der Piratenfraktion. „Ich habe viele türkische und kurdische Freunde.“,
       begründete er seine Anwesenheit. Außerdem gelte es ein klares Zeichen gegen
       die jüngsten Vorstöße Erdoğans zu setzen, auch um Nachahmer zu verhindern:
       „Putin, Kaczynski oder Orban – alle schauen auf Erdoğan und möchten es ihm
       gleich tun.“, so Höfinghoff.
       
       Die Demonstration war zunächst geprägt von Redebeiträgen zu aktuellen
       politischen Entwicklungen in der Türkei und der staatlichen
       Repressionsmaßnahmen nach dem Militärputsch. Später ertönten kurdische und
       türkische Lieder aus dem Lautsprecherwagen, es wurde getanzt und gesungen –
       auch zahlreiche Lieder, die bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013
       Popularität erlangten, wurden gespielt.
       
       ## Konflikte an der Strecke
       
       Die Polizei überraschte zu Beginn der Veranstaltung mit einem
       überschaubaren Aufgebot. Im Laufe des Abends erhöhte sie jedoch ihre
       Präsenz. Immer wieder war es in der Vergangenheit zu Auseinandersetzungen
       kurdischer und türkischer Personen in deutschen Städten gekommen,
       insbesondere seit der türkischen Parlamentswahl im letzten Sommer und der
       darauffolgenden Eskalation des Krieges in den Kurdengebieten.
       
       Dringend gebraucht wurde die Polizei an diesem Abend zwei Mal: Ausgestattet
       mit Türkei-Fahnen und von einem Hauseingang aus skandierten zwei junge
       Männer den Namen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Die Polizei war
       schnell vor Ort, wenig später beruhigte sich die zunächst aufgeheizte
       Atmosphäre, die Demonstration zog weiter. Dass die Polizei keine
       Personenkontrollen bei den Männern vollzog, erhitze so manches Gemüt unter
       den TeilnehmerInnen der Demonstration.
       
       Hakan Taş, Berliner Abgeordneter der Linken, kritisierte das Vorgehen vor
       Ort als „Doppelmoral“. Weil die Beamten kurz zuvor das Rufen der Parole
       „Mörder Erdoğan!“ untersagt habe, müsse sie auch gegen diese „Provokateure“
       vorgehen, so Taş, der zu Beginn der Demonstration in der ersten Reihe
       mitlief. Nur wenige Minuten später kam es zu einem ähnlichen Zwischenfall
       als zwei Männer ein Handzeichen der Muslimbrüderschaft in Richtung des
       Demonstrationszuges zeigten. Wieder war die Polizei vor Ort und wieder
       wurde die Demonstration nach kurzer Aufregung fortgesetzt.
       
       ## Deutsche Regierung als Adressat
       
       Für Erkin Erdoğan, einen der Organisatoren des „Blocks für Frieden und
       Demokratie“ und Aktivisten des HDP-nahen Bündnisses HDK-Berlin-Brandenburg
       war der Abend ein Erfolg: „Wir haben mit einer geringeren Beteiligung
       gerechnet“, räumte er ein. „Es freut mich, dass heute eine derart bunte und
       vielfältige Opposition gemeinsam für den demokratischen Weg auf die
       Berliner Straße ging.“, sagte Erdoğan.
       
       Angesichts der politischen Lage in der Türkei und der momentanen Aussicht
       auf weitere Verschlechterung sei der Abend jedoch als ein Anfang zu
       verstehen. „Es geht schließlich auch darum, weiter Druck auf die deutsche
       Politik auszuüben, um diese zu einer kritischeren Haltung gegenüber der
       türkischen Regierung zu bewegen.“, so Erdoğan.
       
       Da die Nachricht des Münchener Amoklaufs die Demonstration bereits vor der
       Abschlusskundgebung am Oranienplatz erreicht hatte, wurde das kollektive
       Halay-Tanzen – typisch für linke kurdische und türkische Demonstrationen –
       ausgesetzt. Stattdessen wurde eine Schweigeminute für die Opfer abgehalten.
       
       23 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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