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       # taz.de -- Die Waffe des Amokläufers: Zugang im Dunkeln
       
       > Der Münchner Amokläufer nutzte eine Glock-Pistole, die er im Darknet
       > kaufte. Die Regierung prüft nun strengere Waffengesetze.
       
   IMG Bild: Pistolen des österreichischen Herstellers Glock
       
       BERLIN taz | Der 18-Jährige rennt [1][am Freitagabend aus dem McDonald’s am
       Münchner Olympiaeinkaufszentrum], nur kurz schaut er sich um, dann richtet
       er seine Pistole auf die Passanten vor sich, schießt, mehr als zwanzig Mal.
       So zeigt es ein Augenzeugen-Video.
       
       Noch zwei weitere Stunden wird der junge Mann durch die Gegend irren, dann
       erschießt er sich vor eintreffenden Polizisten. Die Beamten finden neben
       ihm die Pistole, eine Glock-17, neun Millimeter. In seinem Rucksack liegen
       noch 300 Schuss Munition.
       
       Es ist eine der zentralen Fragen: Wie kommt ein 18-Jähriger an eine
       Schusswaffe und so viel Munition? Hätte man das verhindern können?
       
       Die Seriennummer der Glock war herausgefeilt. Inzwischen aber stellten die
       Ermittler fest: Es war eine reaktivierte Theaterwaffe, 2014 zugelassen.
       
       Die Glock-17 ist eine weit verbreitete Waffe, Polizisten vieler Länder
       nutzen sie im Dienst. Pikant: Auch der Erfurter Schulattentäter von 2002
       schoss mit einer Glock-17. Wusste der Täter davon? Laut Polizei hatte er
       sich intensiv mit früheren Amokläufen befasst.
       
       ## Erworben im Netz
       
       Laut bayerischem LKA erwarb er die Waffe über das Darknet. Die Ermittler
       fanden entsprechende Chatnachrichten. Preis und genaue Vertriebswege seien
       noch unbekannt, hieß es am Sonntag. Die Waffe dürfte auf dem
       Onlineschwarzmarkt deutlich über 1.000 Euro gekostet haben – viel Geld für
       einen Jugendlichen, der sich laut Ermittlern nur mit Zeitungsaustragen
       etwas dazuverdiente.
       
       Das Darknet stellt die Ermittler schon länger vor Probleme. „Der illegale
       Handel mit Waffen findet zunehmend auch im Internet statt“, sagte am
       Sonntag eine Sprecherin des Bundeskriminalamts. In einem BKA-Lagebild heißt
       es, sowohl die Anonymität als auch die Erreichbarkeit, „einfach und ohne
       tiefergehende Computerkenntnisse“, mache das Darknet bei Kriminellen so
       beliebt. Auch Bayerns LKA-Chef Robert Heimberger sprach von schwierigen
       Ermittlungen. Das Darknet sei „ein Fass ohne Boden“.
       
       Auch das Problem der reaktivierten Waffen ist nicht neu. Sogenannte
       Dekorationswaffen sind in Deutschland und vielen anderen Ländern
       erlaubnisfrei erhältlich – Pistolen oder Gewehre, die entschärft wurden und
       als Sammlerware angeboten werden.
       
       Im Internet allerdings kursieren Anleitungen, wie sich viele dieser Waffen
       relativ leicht wieder reaktivieren lassen. Auch die Attentäter auf die
       Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo in Paris hatte solche umgebauten
       Dekowaffen verwendet.
       
       ## Diskussion über Waffengesetze
       
       Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Sonntag, es sei nach
       München „sehr sorgfältig“ zu prüfen, ob es Handlungsbedarf bei den
       Waffengesetzen gebe. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) forderte bereits eine
       Verschärfung. Ein psychisch kranker Jugendlicher dürfe nicht an
       Schusswaffen gelangen, sagte er der Funke-Gruppe. Es müsse alles getan
       werden, um „den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu
       kontrollieren“.
       
       Bis München sah die Bundesregierung in diesem Feld indes keinen
       Handlungsbedarf. Stets verwies sie auf die bereits „strengen Gesetze“. Erst
       im Juni hatten die Grünen die Regierung in einem Bundestagsantrag
       aufgefordert, die Waffengesetze zu verschärfen – ohne Folgen.
       
       Die EU-Kommission hatte bereits nach den Paris-Attentaten einen
       Maßnahmenkatalog vorgelegt. Waffenerlaubnisse sollen künftig erst nach
       medizinischer Untersuchung erteilt, Waffenscheine befristet und auch
       unbrauchbar gemachte Waffen in nationale Waffenregister aufgenommen werden.
       
       Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Sonntag, Deutschland werde sich
       „konstruktiv“ an der Arbeit an der EU-Richtlinie beteiligen. Alles Weitere
       werde man sehen, wenn die Faktenlage in München klar sei.
       
       Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic fordert bereits klare Schritte. „Das
       deutsche Waffenrecht ist zu lasch. Es ist immer noch zu einfach, an Waffen
       zu kommen.“ Mihalic plädierte deshalb erneut für eine Gesetzesverschärfung.
       „Der Umbau von Deko-Waffen muss verhindert werden. Auch der Zugang zu
       illegalen Waffen ist ein großes Problem.“
       
       Schätzungen gehen von bis zu 20 Millionen illegalen Waffen in Deutschland
       aus. Nach aktuellsten offiziellen Zahlen beschlagnahmte die Polizei im Jahr
       2014 bei Straftaten 443 Waffen. Nur fünf Prozent davon wurden von den
       Tätern legal gehalten – der Rest war illegal.
       
       24 Jul 2016
       
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