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       # taz.de -- Nach dem Attentat in Nizza: Innenminister Cazeneuve unter Druck
       
       > Frankreichs Innenminister soll falsche Angaben zu den
       > Sicherheitsmaßnahmen in Nizza gemacht haben. Der wehrt sich gegen die
       > Vorwürfe.
       
   IMG Bild: Seite an Seite durch Licht und Schatten: Frankreichs Präsident Hollande (oben) und sein Innenminister Cazeneuve (unten)
       
       Paris afp | Die Franzosen hat Bernard Cazeneuve bislang mit seiner
       unerschütterlichen Ruhe beeindruckt. Ob nach den Anschlägen in Paris im
       vergangenen Jahr oder nach dem Blutbad von Nizza am 14. Juli – stets wandte
       Frankreichs Innenminister sich mit sachlicher Stimme an die Öffentlichkeit,
       nüchtern, unaufgeregt, präzise.
       
       Am Sonntagabend aber redete sich der Sozialist richtiggehend in Rage: Von
       einer „niederträchtigen Kampagne“ gegen ihn sprach er in den
       Abendnachrichten, von „Lügen“ und „niederen politischen Manövern“, von
       denen er „zutiefst angewidert“ sei.
       
       Bei dem 53-Jährigen liegen die Nerven offenbar blank. Nicht nur ist der
       Innenminister als „oberster Polizist“ Frankreichs für die Sicherheit in
       einem Land verantwortlich, in dem bei islamistischen Attacken seit Anfang
       2015 mehr als 230 Menschen getötet wurden.
       
       Vor allem aber ist Cazeneuve seit dem Anschlag von Nizza zunehmend unter
       Druck und in die Kritik geraten, zuletzt wurden in den Reihen der
       Opposition Rücktrittsforderungen laut. Der Minister soll, so der Vorwurf,
       falsche Angaben zu den Sicherheitsvorkehrungen gemacht haben, mit denen am
       14. Juli in Nizza die Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag
       gesichert wurden.
       
       ## Anzeige wegen Verleumdung
       
       Nicht nur der konservative Regionalpräsident und frühere Bürgermeister von
       Nizza, Christian Estrosi, auch die linksgerichtete Tageszeitung Libération
       haben der Pariser Regierung „Lügen“ vorgeworfen. Im Kern geht es um die
       Frage, wieviele Polizisten mit welchen Mitteln die Strandpromenade
       sicherten, auf der ein 31-jähriger Islamist mit einem Lastwagen in eine
       Menschenmenge raste.
       
       Am Wochenende spitzte sich der Streit noch einmal zu: In einem
       Zeitungsinterview erhob die Leiterin der Videoüberwachung bei der
       städtischen Polizei von Nizza schwere Vorwürfe gegen das Innenministerium.
       Ein Ministeriumsvertreter habe Druck auf sie ausgeübt, damit sie ihren
       Bericht zu dem Anschlag frisiere – sie solle Polizisten auch dort verorten,
       wo sie auf den Videoaufnahmen gar nicht zu sehen sind.
       
       Cazeneuve hat diese Darstellung empört zurückgewiesen und eine Anzeige
       wegen Verleumdung gegen die Frau angekündigt. Zudem wurde bekannt, dass die
       Polizistin in der Vergangenheit in den sozialen Netzwerken wiederholt dem
       jetzigen Cazeneuve-Gegenspieler Estrosi ihre Unterstützung aussprach, was
       ihren Vorwürfen einen politischen Beigeschmack verleiht.
       
       Cazeneuves Ansehen nimmt trotzdem weiteren Schaden. Staatschef François
       Hollande sah sich in den vergangenen Tagen wiederholt genötigt, sich
       demonstrativ hinter seinen Innenminister zu stellen. Er will den
       Gefolgsmann nicht verlieren, der durch fleißige Arbeit und Loyalität nach
       und nach zu einem seiner wichtigsten Mitarbeiter geworden ist.
       
       Auch Cazeneuves Vorgänger, Premierminister Manuel Valls, hat ihn
       unterdessen in Schutz genommen. Die Vorwürfe gegen den Minister seien Teil
       einer „politischen Polemik“, mit der die Regierung „destabilisiert“ werden
       solle, sagte Valls am Montag im Sender RMC. Cazeneuve sei ein „ehrenhafter
       Mann, ein Staatsmann, ein großartiger Innenminister“.
       
       Der frühere Anwalt, der gerne Anzüge mit Einstecktuch trägt, war nach
       Hollandes Wahlsieg 2012 zunächst Europastaatssekretär geworden. Als
       Haushaltsminister Jérôme Cahuzac im folgenden Jahr wegen eines
       Schwarzgeldkontos zurücktreten musste, übernahm Cazeneuve den schwierigen
       Posten und verschaffte sich schnell Respekt.
       
       ## Ein bewährter Krisenmanager
       
       Im April 2014 wurde er schließlich Innenminister, als Amtsinhaber Manuel
       Valls zum Premier ernannt wurde – auch hier bekam Cazeneuve schnell viel
       Lob. Das änderte sich auch nicht nach den Anschlägen auf die Satirezeitung
       Charlie Hebdo im Januar 2015 und den Anschlägen vom 13. November mit 130
       Toten. Cazeneuve – ein begeisterter Rosenzüchter – wurde als unaufgeregter
       Krisenmanager gepriesen.
       
       Nun steht er im Zentrum eines Streits, dessen Ausgang offen ist. Von einem
       Rücktritt will Cazeneuve aber nichts wissen: „Man zieht sich nicht aus dem
       Kampf gegen den Terrorismus und für die Republik zurück – man führt ihn bis
       zum Ende“, sagte er kürzlich. „Man lässt seine Truppen nicht im Stich.“
       
       25 Jul 2016
       
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