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       # taz.de -- AfD und der Messerangriff in Reutlingen: Erst war's der Prakti, dann ein Fake
       
       > Ein Twitter-Account verbreitet im Namen der AfD Reutlingen grenzwertige
       > Nachrichten. Die Partei redet sich auf Facebook raus. Und legt nach.
       
   IMG Bild: Eine Shisha am Tatort in Reutlingen: „von daher ist der Hintergrund klar“
       
       Berlin taz | Ein junger Mann geht in Reutlingen mit einem Dönermesser auf
       eine Frau los und tötet sie. Auf der Flucht verletzt er fünf Menschen, bis
       er schließlich in ein Fahrzeug läuft und so auf seiner Flucht gestoppt
       wird.
       
       Es stellt sich heraus, dass der 21-Jährige ein syrischer Asylbewerber ist.
       Ein Twitter-Account mit Namen „@AfD_Reutlingen“ nutzt diese Information nur
       wenige Stunden nach der Tat für Machtfantasien und rassistische Hetze.
       [1][„Wären wir an der Macht, wäre dies nicht passiert“], twittert der
       Account zunächst mit den Hashtags „Reutlingen“, „Terroranschlag“ und
       „Machete“. Im Minutentakt folgen weitere Mitteilungen, teils gespickt mit
       Rechtschreib- und Grammatikfehlern: [2][„Wir wollen das (sic!) Deutschland
       wieder funktioniert“, „Zwei Anschläge innerhalb von einem Wochenende.
       Zufall?“ und „Es ist ein Moslem gewesen von daher ist der Hintergrund
       klar“].
       
       Inzwischen zeigt sich, dass der Hintergrund so klar nicht ist, die Polizei
       geht von einer Beziehungstat aus. Über die Hintergründe der Tat war zum
       Zeitpunkt der Tweets wenig bis nichts bekannt. Dem Verfasser scheinen die
       Posts bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung peinlich gewesen zu
       sein. Am späten Abend ruderte „@AfD_Reutlingen“ zurück. [3][„Wir bitten
       vielmals um entschuldigung.Ein Praktikant hatte die letzten 5 Stunden
       zugriff auf diesen Account.“] „Daher entsprechen alle in dieser Zeit
       geposteten Tweets nicht unsere Meinung.“ (sic!)
       
       Mittlerweile ist der Account gänzlich gelöscht. Auf der (offenbar echten)
       Facebook-Seite des AfD-Kreisverbands Reutlingen ist von einem verwirrten
       Praktikanten nichts mehr zu lesen. [4][Stattdessen sei der ganze Zugang ein
       Fake gewesen, die AfD Reutlingen poste nicht auf Twitter und werde nun
       rechtliche Schritte unternehmen.] „Wir als Kreisverband Reutlingen haben
       nie einen Twitteraccount unterhalten. Dabei handelt es sich um einen
       Account der von jemandem eingerichtet wurde, der uns offensichtlich schaden
       will. Sowohl die ursprünglichen Nachrichten, wie auch die folgenden waren
       nicht von uns. Bei uns gibt es auch keinen Praktikanten“, äußerte sich der
       Wolfram Hirt gegenüber der taz. Die Polizei sei informiert worden.
       
       Auch auf der Facebook-Seite waren zwischenzeitlich Kommentare zu lesen, die
       einen ähnlichen Tenor einschlagen wie auf dem angeblich gefakten
       Twitter-Zugang: „Ihr lasst hier alle möglichen Fremden, von denen ihr oft
       keine Ahnung habt wer das ist, einfach auf der Straße rumlaufen. Und wenn
       so einer gegen Gesetze verstößt.. egal!! Juhu wir sind bunt! Hip Hip
       Hurra!“, dazu ein von der Jungen Alternative geteiltes [5][Bild mit einem
       Koran und dem Zusatz „Vorsicht! Killerspiel!“] Die Kommentare seien von
       Facebook „abgeschaltet worden“, so Hirt.
       
       Schon nach dem Amoklauf in München [6][twitterte André Poggenburg am
       Freitagabend seine Bewertung in die Welt], bevor überhaupt erste
       Erkenntnisse über den Täter vorlagen. „Einheitspartei Merkel: danke für den
       Terror in Deutschland und Europa“, schrieb der AfD-Chef von Sachsen-Anhalt.
       Der sächsische AfD-Landesverband schloss sich an: „Der Terror ist wieder
       zurück! Wann macht Frau Merkel endlich die Grenze dicht!“
       
       Nicht nur mit vorschnellen Äußerungen schmückt sich die AfD. In der
       Vergangenheit provozierten AfD-PolitikerInnen immer wieder in sozialen
       Netzwerken, löschten ihre Nachrichten später und konnten sich anschließend
       an nichts mehr erinnern. So entfernte die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von
       Storch einen provozierenden Post nach dem deutschen EM aus ([7][„Vielleicht
       sollte nächstes Mal wieder die Deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen“]) kurze
       Zeit nach der Veröffentlichung wieder. In einer [8][Facebook-Erklärung] am
       nächsten Morgen machte sie die Medien für die Aufregung verantwortlich.
       
       ******
       
       Update, 26.07.2016: In einer früheren Version hieß es, der Reutlinger
       Kreisvorstand Wolfram Hirt habe auf eine Anfrage der taz nicht reagiert.
       Dieser antwortete dann doch: nach Veröffentlichung des Artikels und nach
       Redaktionsschluss.
       
       25 Jul 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/MatthiasMeisner/status/757264410243203076/photo/1?ref_src=twsrc%5Etfw
   DIR [2] http://www.huffingtonpost.de/2016/07/24/afd-reultingen-machete_n_11168990.html
   DIR [3] https://twitter.com/tazgezwitscher/status/757461813348954112?lang=de
   DIR [4] http://www.mopo.de/news/politik-wirtschaft/afd-hetzt-auf-twitter--waeren-wir-an-der-macht--waere-dies-nicht-passiert--24448942
   DIR [5] https://www.facebook.com/jafuer.de/photos/a.131308147059728.1073741828.109330799257463/506413712882501/?type=3&theater
   DIR [6] /Rechte-Reaktionen-auf-Muenchen/!5327548
   DIR [7] http://www.rp-online.de/sport/fussball/em/dfb/beatrix-von-storch-loescht-tweet-ueber-die-nationalmannschaft-aid-1.6106272
   DIR [8] https://www.facebook.com/BeatrixVonStorch/posts/1164163546958422
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ronny Müller
       
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