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       # taz.de -- Jugend-Kunstprojekt in Bremen: Ein großes gemeinsames Bild
       
       > Zum ersten Mal verbinden Jugendliche beim „Graffiti Camp“ Malen und
       > andere Kunstformen. Gemeinsam gestalten sie das Schlachthof-Areal.
       
   IMG Bild: Brauchen Platz, um sich auszuprobieren: Jugendliche beim „Graffiti Camp“ vor dem Schlachthof
       
       BREMEN taz | Die Farbe aus der Dose auf die Wand zu bringen, ist gar nicht
       so einfach. „Passiert doch nichts!“, sagt Sven Dankleff, Kunsttherapeut und
       Leiter des „Graffiti Teams“ – und schon wird gemalt. „Graffiti Camp“ nennt
       sich das Projekt für Jugendliche, das in dieser Woche rund um das
       Kulturzentrum Schlachthof läuft und vom Kultur- und Bildungsverein Ostertor
       – kurz Kubo – veranstaltet wird. Schnell wird hier klar: Ein Bild nach den
       eigenen Vorstellungen entstehen zu lassen, klappt nicht sofort.
       
       „Man muss 100 Dosen leer sprühen, bis man anfangen kann darüber
       nachzudenken, was man eigentlich genau malen will“, sagt Dankleff. Zunächst
       sollen die TeilnehmerInnen des Graffiti Camps ein Gefühl für die Dosen
       kriegen. Später hilft Dankleff dabei, dass tatsächlich das entsteht, was
       die Jugendlichen sich vorstellen.
       
       ## Graffiti ist nur Ausgangspunkt
       
       Das Camp findet zum fünften Mal statt, aber zum ersten Mal auf dem Gelände
       des Schlachthofs. Ein Dutzend Jugendliche sprühen, malen, werkeln auf den
       Rampen des Skateparks, neben dem Eingang, auf Bierbänken im Freien. Das
       besondere an dem Projekt ist, dass Graffiti nur der Ausgangspunkt sind. Die
       gesprayten Werke sind den Kids vertraut, die Kunstform ihnen näher als
       andere. Daher soll es am Schlachthof darum gehen, ihre Kreativität zu
       wecken.
       
       Gemeinsam füllen die Jugendlichen diesen Raum mit Skulpturen,
       Graffiti-Bildern und „urban stitching“. Der Begriff „urban stitching“
       umfasst verschiedene Arten Kunstobjekte mit Hilfe von Handwerkstechniken zu
       erschaffen. Dinge werden umhäkelt und genäht, Stoffe und Draht zu
       Skulpturen verbunden.
       
       Bisher gab es das beim Graffiti Camp nicht. „Wir wollen dieses Jahr
       konzeptioneller Arbeiten“, sagt Beulshausen, „Graffiti steht nicht mehr
       alleine da, sondern verbindet sich mit anderen Kunstformen.“ So könnten die
       Jugendlichen Latten auf die Wände schrauben, bevor sie sie bemalten oder
       die entstehenden Skulpturen direkt ansprühen. „Wir wollen alle miteinander
       ein gemeinsames Bild erschaffen.“
       
       ## Augen aus bemalter Pappe
       
       Die TeilnehmerInnen experimentieren: Arme werden mit Folie umwickelt,
       aufgeschnitten, und das Gebilde angesprüht – und schon hat man einen
       Rückenkratzer. „Ich hab aus Draht eine Flasche gebaut – mit den bunten
       Steinen wird es dann eine Zahnpastatube und die hänge ich dann in die
       Bäume“, sagt Lilli Zelewski, Teilnehmerin des Camps, während sie die Steine
       mit verschiedenen Farben besprüht.
       
       An der Mauer des Schlachthofs ist zwischen zwei Durchbrüchen ein Vogel
       entstanden. Zwei große runde Augen aus bemalter Pappe werden von einem
       Geflecht aus Bändern gehalten. Der dreieckige Schnabel schwebt dazwischen.
       „Vielleicht sollten wir den noch aus Holz machen, damit es beständiger
       wird“, rät Beulshausen.
       
       Die Kunstobjekte werden auch über die Campwoche hinaus auf dem
       Schlachthof-Gelände bleiben – vermutlich so lange, bis sie wetterbedingt
       kaputt gehen.
       
       ## Keine Möglichkeit zum Üben
       
       Die Ideen der Jugendlichen sind vielseitig, was aber alle Kunstwerke
       verbindet, ist Graffiti. „Wir versuchen, von der Wand weg zu kommen, und
       zum Beispiel auch auf dem Boden zu arbeiten“, sagt Beulshausen. Dazu seien
       auch Plakate oder Stencel, also Schablonen, als Grundlage geeignet. So
       würde Graffiti zum Objekt werden und raumorientierte Kunst entstehen.
       
       Einige TeilnehmerInnen sind schon mehrmals beim Camp dabei gewesen, andere
       sind zum ersten Mal da. Aber das Camp sei zu wenig, sagt Dankleff, es gebe
       keine legalen Flächen zum Üben für die Kids. „Graffiti ist fast schon eine
       Gruppentherapie, man malt ein Bild gemeinsam, lässt Ideen ineinander
       fließen und respektiert die Werke der Anderen.“
       
       Wenn sie als Veranstalter Projekte planten, würden die Leute ihnen
       vertrauen und Flächen zur Verfügung stellen. „Aber wenn die Kids herkommen,
       sich ein bisschen ausprobieren und Gefallen am Malen finden, dann brauchen
       sie auch außerhalb des Camps die Möglichkeit zu üben“, sagt Dankleff. Das
       sei in Bremen nur am „Alten Sportamt“ möglich – und dessen Zukunft ist
       aktuell sehr ungewiss.
       
       27 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Siber
       
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