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       # taz.de -- Nach dem Putschversuch in der Türkei: JournalistInnen festgenommen
       
       > Es läuft eine Verhaftungswelle gegen JournalistInnen in der Türkei. Unter
       > anderem wurden Nazli Ilicak und Bülent Mumay festgenommen.
       
   IMG Bild: Nazil Ilicak mit einem Polizisten und Familienmitgliedern nach ihrer Festnahme
       
       Istanbul taz | In der Türkei begann am Mittwochmorgen um sechs Uhr eine
       zweite Verhaftungswelle gegen Journalisten, dieses Mal vor allem gegen
       ehemalige Redakteure und Journalisten von Zaman. Zaman war bis zur
       Übernahme der Zeitung durch den Staat im März dieses Jahres das Leitmedium
       der Gülen-Bewegung in der Türkei, mit einer Auflage von mehreren
       hunderttausend Exemplaren täglich.
       
       Unter den Festgenommenen ist der Kolumnist Ali Bulac, einer der
       prominentesten Islamisten der Türkei. Ebenfalls festgenommen wurde der
       bekannte Journalist Sahin Alpay, ein früherer Linker, der lange für
       Cumhuriyet gearbeitet hatte und dann zu Zaman gegangen war. Der frühere
       Chefredakteur des englischsprachigen Ablegers von Zaman, Today's Zaman,
       Bülent Kenes, gehört ebenfalls zu den Verhafteten. Außerdem noch der
       islamische Philosoph Hilmi Yavuz, ebenfalls ein früherer Kolumnist von
       Zaman.
       
       Nach der Übernahme von Zaman durch einen staatlichen Kontrolleur waren
       Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein damaliger Regierungschef Ahmet
       Davutoglu noch davor zurückgeschreckt, diese auch unter AKP-Wählern sehr
       prominenten Leute festnehmen zu lassen. Das hat sich durch den
       Putschversuch, der laut Erdogan von der Gülen-Bewegung gesteuert war, nun
       verändert. Insgesamt stehen 47 ehemalige Redakteure, Kolumnisten und
       Ex-Geschäftsführer des Blattes auf der Festnahmeliste.
       
       Unabhängig davon wurden bereits am Montag dieser Woche Haftbefehle gegen 42
       Journalisten erlassen, unter anderem gegen die Politikerin und Journalistin
       Nazli Ilicak und den früheren Hürriyet-Journalisten Bülent Mumay. Nazli
       Ilicak, die für die AKP-Vorgängerpartei des Islamistenchefs Necmettin
       Erbakan im Parlament gesessen hatte, eigentlich aber aus der
       nationalistischen Rechten kommt, wurde am Dienstagmorgen in ihrem
       Ferienhaus in Bodrum festgenommen und heute dem Staatsanwalt vorgeführt.
       Bülent Mumay war Dienstagabend an der Reihe, obwohl er bereits vorher
       [1][öffentlich verkündet hatte, er werde am Mittwochmorgen von sich aus zur
       Staatsanwaltschaft gehen] und eine Aussage machen.
       
       ## Mumay hat nichts mit Gülen zu tun
       
       Anders als die anderen festgenommenen Journalisten und Kolumnisten hatte
       Mumay nie etwas mit der Gülen-Bewegung zu tun. Im Gegenteil – in
       verschiedenen Interviews am Dienstag betonte er noch einmal, dass er sich
       in seinem ganzen Berufsleben immer gegen klandestine Bewegungen wie die
       „Cemaat“, die türkische Bezeichnung für die Gülen-Sekte, gewandt habe.
       
       In der Tat ist Bülent Mumay, der noch [2][Anfang Mai eine Kolumne] und vor
       wenigen Tagen ein [3][Interview zur Pressefreiheit in der Türkei in der
       taz] veröffentlicht hatte, ein bekannter linksliberaler Journalist, der
       während des Gezi-Aufstandes gegen Erdogan im Sommer 2013 scharf gegen die
       Repression der AKP-Regierung Stellung bezog. Bülent Mumay hat insgesamt 18
       Jahre innerhalb des Medienhauses des „Dogan Konzern“ gearbeitet und dort
       wesentlich am Aufbau der digitalen Sparte mitgearbeitet. Er ist für seine
       journalistische Arbeit auch international ausgezeichnet worden und wurde
       2014 in den Vorstand der „International News Media Assoziation“ gewählt.
       
       Nachdem er durch seine Artikel während der Gezi-Proteste den Ärger Erdogans
       und der Regierung auf sich gezogen hatte, wurde er in regierungsnahen
       Zeitungen zunächst als „Cemaat“-Mann denunziert, später setzte ihn die
       Zeitung Star auf eine „Wanted-Liste“ unliebsamer Journalisten und forderte
       vom Besitzer des Dogan-Konzerns, Aydin Dogan, die Entlassung von Bülent
       Mumay.
       
       Nach dem Wahlsieg von Erdogan und seiner AKP im November 2015 legte ihm die
       Chefredaktion von Hürriyet dann nahe, seinen Hut zu nehmen. Bülent Mumay
       war zu der Zeit Chef von Hürriyet Online und verantwortlich für den
       gesamten digitalen Auftritt der Dogan-Medien. Zuletzt hatte sich Bülent
       Mumay stark für den Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar und dessen Kollegen
       Erdem Gül engagiert, welche wegen einer Enthüllungsgeschichte über illegale
       Waffentransporte des Geheimdienstes nach Syrien verurteilt worden waren.
       Can Dündar und Erdem Gül sind noch auf freiem Fuß, weil sie gegen das
       Urteil Berufung eingelegt haben.
       
       Can Dündar hatte schon vor dem Putschversuch die Türkei verlassen, weil er
       mit dem Tode bedroht wurde. Bülent Mumay hatte gerade begonnen, für die
       linke Tageszeitung BirGün zu arbeiten, als er nun festgenommen wurde.
       
       27 Jul 2016
       
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