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       # taz.de -- Tunesiens Ministerpräsident vor Rücktritt: Parlament entzieht Essid Vertrauen
       
       > Der Präsident, die Opposition und seine eigene Koalition wandten sich
       > gegen Habib Essid. Die religiös orientiertee Ennahda-Partei könnte davon
       > profitieren.
       
   IMG Bild: Ministerpräsident Essids Tage im Amt sind gezählt
       
       Tunis ap | Tunesiens Ministerpräsident Habib Essid hat ein Misstrauensvotum
       im Parlament verloren und steht damit vor dem Ende seiner Amtszeit. Eine
       Mehrheit von 118 Abgeordneten entzog ihm nach einer stundenlangen Debatte
       am späten Samstagabend das Vertrauen. Damit dürfte die Regierung aller
       Wahrscheinlichkeit nach aufgelöst werden.
       
       Parlamentspräsident Mohamed Ennaceur sagte in der Versammlung, Tunesien
       durchlebe eine schwierige Situation, die Opfer von allen erfordere. „Wir
       müssen jetzt in die Zukunft schauen, damit die Hoffnung zu allen Tunesiern
       zurückkehrt.“
       
       Vor dem Votum hatte Essid am Samstag angekündigt, er werde im Falle einer
       Niederlage bei der Vertrauensfrage alles in seiner Macht stehende tun, um
       einen reibungslosen Regierungswechsel vorzubereiten. Er verteidigte zwar
       die Leistungen seiner Regierung, machte aber auch klar, dass er nicht an
       seinem Posten hänge.
       
       Essids Rückendeckung ist wegen Wirtschaftsproblemen und sozialen Unruhen in
       Tunesien geschwunden. Sowohl die aus vier Parteien bestehende
       Regierungskoalition als auch die Opposition hatten ihn kritisiert.
       Beobachter hatten deshalb damit gerechnet, dass der Technokrat die
       Vertrauensabstimmung verlieren wird.
       
       ## Tunesien, der demokratische Musterstaat
       
       Tunesien ist das einzige Land, das nach den Aufständen des Arabischen
       Frühlings 2011 einen erfolgreichen Übergang zur parlamentarischen
       Demokratie hingelegt hat. Der nordafrikanische Staat hat jedoch mit
       politischer Instabilität, Angriffen von Extremisten, einer hohen Inflation
       und Arbeitslosigkeit sowie regelmäßigen Streiks zu kämpfen.
       
       Das hatte Essids Position ebenso geschwächt wie politische Manöver
       innerhalb der säkulären Partei Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens). Auch Präsident
       Beji Caid Essebsi hatte Druck auf ihn ausgeübt und vergangenen Monat eine
       „Regierung der Nationalen Einheit“ gefordert. Essid war von diesem Vorstoß
       des Präsidenten überrascht worden.
       
       Verfassungsrechtsexperte Nawfel Saied sagte, das Misstrauensvotum sei zwar
       beispiellos in der erst jungen Geschichte der Demokratie in Tunesien,
       gleichzeitig aber auch etwas an sich Positives. Ähnliche Mechanismen
       existierten schließlich auch in anderen parlamentarischen Demokratien,
       sagte er.
       
       Saied rechnete damit, dass der Schritt in einer prominenteren Rolle der
       religiöser orientierten Partei Ennahda münden könnte. Sie ist momentan die
       stärkste Kraft im Parlament, nachdem sich die Nidaa Tounes aufgespalten
       hat.
       
       Essebsi hat nun einen Monat Zeit, einen neuen Regierungschef auszuwählen.
       Dieser wiederum hat einen weiteren Monat, um sein Kabinett zu ernennen und
       dieses dem Parlament zu präsentieren.
       
       31 Jul 2016
       
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