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       # taz.de -- Kommentar zum Friesenhof-Gutachten: Geliefert wie bestellt
       
       > Der Gutachter argumentiert geschickt: Manchmal könne eine auf Zwang
       > gestütze Pädagogik sinnvoll sein. Das überzeugt angesichts der Risiken
       > dieser Pädagogik nicht.
       
   IMG Bild: Klarer Kinderwunsch: Keine Gewalt
       
       Das Vorgehen ist problematisch. Zwar wird sich der Kieler
       Untersuchungsausschuss zu den skandalösen Frisenhof-Heimen auch noch ein
       juristisches Gutachten kommen lassen, das die Arbeit der Heimaufsicht
       bewertet. Aber zur Bewertung der Pädagogik soll es nur dieses eine geben.
       Das ist in Teilen zwar lesenswert: Der Autor gibt Einblick in interne
       Dokumente und findet Schwachstellen. Etwa, dass es nicht korrekt von der
       Heimaufsicht war, schon Achtjährigen eine derart straffe, strenge
       Tagesstruktur zuzumuten. Aber ist es, im Umkehrschluss, für ältere Kinder
       vertretbar?
       
       Der Gutachter argumentiert geschickt: Nicht für alle, aber für wenige;
       nicht immer, aber manchmal könne eine auf Zwang gestütze Pädagogik sinnvoll
       sein. In den von ihm beforschten Heimen bewirke sie bei einem Drittel,
       vielleicht gar der Hälfte der Kinder Positives. Das kann angesichts der
       Risiken dieser Pädagogik nicht überzeugen.
       
       So wenig wie die Ausführungen zur Rechtslage: Seit dem Jahr 2000 haben
       Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Hier gilt ein eigener
       Gewaltbegriff, verboten sind so auch Handlungen, die unter der
       Strafbarkeitsschwelle liegen: Also nicht nur Schläge, sondern bereits
       „angstauslösendes Bedrängen“ oder auch auch längeres, die Bewegung
       behinderndes Zupacken.
       
       Das gesetzliche Gewaltverbot kam erschreckend spät. Viele heutige
       Erwachsene wurden als Kind geschlagen, und noch immer ist es verbreitete
       Volksmeinung, dass anderen nicht schaden könne, was man selbst erdulden
       musste.
       
       Es mag im Heimalltag Situationen geben, in denen ein Erzieher etwa einen
       Jungen, der stört, mit Körperkraft aus dem Raum schiebt. Regelt aber gleich
       eine Arbeitsanweisung, wie ein Zwölfjähriger auch gegen seinen Widerstand
       aus dem Raum zu schaffen sei, wenn er gegen Tischsitten verstößt, könnte
       das den Pädagogen dazu verleiten, regelhaft so zu handeln – zumal, wenn
       dies angeblich nur zum Besten des Kindes geschieht.
       
       Der Gutachter ist für seine Position bekannt, die Kieler Abgeordneten
       bekamen also, was sie bestellten. Es wäre fahrlässig, nur diese eine
       Fachposition zu hören. Am Ende könnte ein Abschlussbericht stehen, der den
       Kindern mehr schadet als hilft.
       
       31 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
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