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       # taz.de -- Früherer Ladenschluss gefordert: Jobs, aber kein Auskommen
       
       > Im Einzelhandel gibt es nur noch wenige existenzsichernde Stellen. Der
       > DGB fordert deshalb eine Begrenzung der Ladenschlusszeiten.
       
   IMG Bild: Rewe-Märkte haben sogar bis Mitternacht geöffnet – und beschäftigen LeiharbeiterInnen
       
       BREMEN taz | Rund um die Uhr Einkaufen und dadurch Arbeitsstellen im
       Einzelhandel generieren: Als im Jahr 2006 das Ladenschlussgesetz gekippt
       wurde und die Länder fortan selbst über ihre Geschäftsöffnungszeiten
       entscheiden konnten, war der Optimismus groß. Fast alle Bundesländer
       beschlossen, dem Einzelhandel freie Hand zu gewähren – auch Bremen.
       
       Die Prognosen haben sich freilich nur auf den ersten Blick bewahrheitet,
       das hat die [1][Arbeitnehmerkammer] schon vor Jahren [2][moniert]. Nun
       fordern sie und der DGB erneut eine Begrenzung der bremischen
       Ladenöffnungszeiten.
       
       Denn [3][neue Zahlen der Arbeitnehmerkammer] zeigen, dass die Zahl der
       sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Einzelhandel seit 2007 zwar
       um beachtliche 16 Prozent angestiegen, die Zahl der Vollzeitstellen aber um
       über 14 Prozent zurückgegangen ist. Das gilt vor allem für Discounter und
       Supermärkte – und betrifft vor allem Frauen: Die besetzen 71 Prozent aller
       Stellen im Einzelhandel, aber nur jede vierte von ihnen hat einen
       existenzsichernden Job. Von 20.000 Frauen arbeiten über 9.000 in Teilzeit
       und knapp 5.500 auf Minijob-Basis. Im Vergleich: Von den rund 8.500
       Männern, die im bremischen Einzelhandel beschäftigt sind, haben über 4.600
       eine Vollzeitstelle.
       
       ## Einarbeitungszeiten und hohe Fluktuation
       
       Annette Düring, Vorsitzende des DGB Bremen-Elbe-Weser, bezeichnet die
       Teilzeitjobs als „staatlich subventionierte Stellen“, weil die Bezahlung so
       gering ist, dass sie ein Auskommen nahezu unmöglich macht: „Der Bruttolohn
       liegt im Durchschnitt bei 2.500 Euro für eine Vollzeitstelle, das ist das
       zweitniedrigste Gehalt nach dem Gastgewerbe – sowohl bei einer
       Teilzeitstelle als auch später bei der Rente muss der Staat aufstocken,“
       sagt sie.
       
       Wer keine Sozialleistungen beziehen will, sucht sich einen Zweit-Job:
       „Viele Kolleginnen gehen sonntags kellnern“, sagt Susanne Meister, Bremer
       Betriebsratsvorsitzende der Warenhauskette „Real“. Noch gebe es in ihrem
       Unternehmen zwar keine MinijobberInnen, aber die meisten Frauen seien in
       Teilzeit beschäftigt: „Die Vollzeitstellen haben zum größten Teil
       Beschäftigte in Führungspositionen – und das wiederum sind überwiegend
       Männer.“
       
       Die „Flexibilisierung“ durch Teilzeit- und Minijobstellen gehe zu Lasten
       aller Angestellten, sagt Liane Hagner, Betriebsrätin aus Bremerhaven beim
       Discounter „Netto“: „Immer wieder lange Einarbeitungszeiten und eine hohe
       Fluktuation sind die Folge.“ Hinzu kämen Dienste, bei denen abzüglich der
       Arbeitswege die vorgeschriebene Ruhezeit zwischen zwei Schichten kaum
       erreicht würden: „Da ist man dann auch beim Thema Ausbildung“, sagt Düring:
       „Wer will unter solchen Umständen noch in den Einzelhandel?“
       
       ## Tarifflucht und Leiharbeit
       
       Sowohl sie als auch die Betriebsräte fordern eine gesetzliche Deckelung von
       Minijobs und die Wiedereinführung von Ladenschlusszeiten. „Die jetzigen
       Öffnungszeiten sind nur dazu da, um WettbewerberInnen zum Aufgeben zu
       zwingen“, sagt Meister. Es sei völlig ausreichend, wenn Geschäfte bis 21
       Uhr geöffnet hätten.
       
       Arbeitnehmerkammer und DGB fordern zusätzlich die Allgemeinverbindlichkeit
       von Tarifverträgen und eine bedarfsgerechte Ansiedlungspolitik von
       Geschäften: „Vor allem in Bremerhaven haben sich vermehrt Discounter
       angesiedelt“, sagt Düring. Dabei gehe es nachweislich nicht um mehr
       Kaufkraft, sondern um die Erhöhung des Wettbewerbs: „Dort kann man
       Vollzeitstellen genauso suchen wie tarifgebundene Löhne.“
       
       Insgesamt stiegen immer mehr Unternehmen aus der Tarifbindung aus, aktuell
       „Real“, Arbeitgeber von Susanne Meister. Der Discounter „Penny“, sagt Liane
       Hagner, beschäftige mittlerweile sogar LeiharbeiterInnen als sogenannte
       Servicekräfte – genauso wie die Supermärkte seines Mutterkonzerns „Rewe“,
       die innerstädtisch sogar bis Mitternacht geöffnet haben.
       
       „Die Branche muss endlich begreifen, dass sie ein Beschäftigungssektor
       ist“, sagt Düring. Und im Sinne der Beschäftigten sei jetzt die Politik
       gefragt: „Sie muss mit klaren Vorgaben in den Branchendialog gehen und
       dabei auch die Beteiligung des Arbeits- und Wirtschaftsressorts
       sicherstellen.“ Das fühlt sich bisher nicht zuständig: Das Thema
       Ladenschlusszeiten, sagt auf taz-Anfrage der Sprecher des Senators für
       Arbeit und Wirtschaft, sei Sache der Gesundheitsbehörde.
       
       2 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.arbeitnehmerkammer.de/
   DIR [2] /!5095450/
   DIR [3] http://www.arbeitnehmerkammer.de/cms/upload/Publikationen/kammer-kompakt/KammerKompakt_Einzelhandel.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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