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       # taz.de -- Schulreform in Bayern: Gymnasien sollen selber wählen
       
       > Nach viel Kritik an G8 lässt das bayerische Kabinett künftig wieder das
       > Modell G9 zu. Die Gymnasien sind mit der Wahlfreiheit unzufrieden.
       
   IMG Bild: G8 oder G9: Seit Jahren wollen die bayerischen Gymnasien wissen, wie es weitergeht
       
       In Bayern kehrt das neunjährige Gymnasium zurück: Ab dem Schuljahr 2018/19
       sollen die Schulen selbst entscheiden, ob sie das Modell G8 oder G9
       anbieten. Das gab das Bayerische Kabinett am Samstag nach ihrer Klausur am
       Tegernsee bekannt.
       
       Am Dienstag präzisierte Bildungsminister Ludwig Spaenle die Pläne: An der
       zweijährigen Oberstufe solle sich nichts ändern. Schulen könnten im
       Einzelfall auch beide Modelle anbieten. Die Lerninhalte seien aber in
       beiden Fällen – G8 oder G9 – identisch. Spaenle räumte bei der Gelegenheit
       ein, dass die Einführung von G8 im Jahr 2003 „überhastet“ gewesen sei.
       
       Mit der angestrebten Reform reagiert die CSU auf die massive Kritik am
       achtjährigen Gymnasium: Weniger Zeit für die gleiche Stoffmenge, eine
       höhere Belastung für die SchülerInnnen. Elternverbände bemängelten, ihre
       Kinder hätten kaum noch Zeit für Hobbys.
       
       ## Gymnasien wollen Leitentscheidung
       
       Den Gymnasien soll künftig frei stehen, ob sie zum G9 zurückkehren.Doch
       genau wollen die bayerischen RektorInnen nicht: „Wir brauchen eine klare
       Leitentscheidung,“ fordert Karl-Heinz Bruckner, Vorsitzender der
       Direktorenvereinigung Bayern. Ob acht oder neun Jahre Schulzeit sei aus
       Sicht der RektorInnnen zweitrangig. Wichtiger wäre es, einen eindeutigen,
       landesweiten Standard zu definieren. Doppelstrukturen würden zu Chaos und
       Ungleichheit führen.
       
       Schon 2015 hat das bayerische Ministerium für Verwirrung an Gymnasien
       gesorgt: Seitdem wird in Bayern neben dem klassischen G8 an 47 Gymnasien
       probeweise eine „Mittelstufe Plus“ angeboten. Optional kann zwischen den
       Klassenstufen neun und zehn ein Wiederholungsjahr eingelegt werden, um den
       Stoff der Mittelstufe zu vertiefen.
       
       Trotz des zusätzlichen Jahrs wurde auch daran schnell Kritik laut: Das neue
       Modell sei kein vollwertiger G9-Ersatz. Der bayerische Philologenverband
       spricht sich seit Jahren klar für eine Rückkehr zu einem „echten“ G9 als
       Regelmodell aus. Das forderte am Dienstag auch der Vorsitzender im
       Bildungsausschuss des bayerischen Landtag, Martin Güll (SPD): „Mit diesem
       Rumgeeiere muss ein für alle Mal Schluss sein.“
       
       ## G8 bundesweit kritisiert
       
       Auch in anderen Bundesländern ist man sich nicht einig, ob man beim G8 als
       Standardmodell bleiben will oder nicht. Bis auf Bremen und Rheinland-Pfalz
       führten ab Mitte der 2000er alle Länder ihre SchülerInnen in acht Jahren
       zum Abitur.
       
       2011 gab es in Bayern die ersten Absolventen des verkürzten Abiturs. Doch
       übten Schulen, Eltern und Bildungsgewerkschaften bundesweit Kritik am
       achtjährigen Gymnasium. Erste Länder ruderten inzwischen zurück.
       
       Mit einiger Überraschung. In Nordrhein-Westfalen konnten sich Gymnasien im
       Jahr 2010 darauf bewerben, das G9 testweise wieder einzuführen. Es meldeten
       sich aber nur 13 von 630 Schulen an – deutlich weniger als erwartet. Ein
       Sprecher des Schulministeriums vermutet als Grund für die geringe
       Nachfrage: „Offenbar haben sich die meisten Gymnasien entschieden, das
       bestehende G8 optimieren zu wollen.“
       
       ## G9 bald wieder Standard
       
       In Baden-Württemberg wird die Rückkehr zum G9 bis 2028 an 44 Schulen im
       Modellversuch erprobt. Offen ist, welche Beschlüsse folgen. In Hessen steht
       bereits fest: G8 und G9 sollen parallel zueinander angeboten werden. Nur
       Niedersachsen hat, bislang als einziges Bundesland, bereits 2014
       beschlossen, das G9 wieder als Standard einzuführen.
       
       Dazu soll es in Bayern nicht kommen, wenn es nach Bildungsminister Spaenle
       geht. Der wünscht sich G8- und G9-Schulen parallel und sagt: „Ein
       achtjähriges Gymnasium für alle SchülerInnen ist genauso überholt wie ein
       neunjähriges Gymnasium für alle.“
       
       Doch der Druck vom Opposition, Philologenverband und Direktorenvereinigung,
       sich auf einen einheitlichen Standard zu einigen, ist groß. Nach den
       Sommerferien soll im September eine „Dialogphase“ beginnen. Die
       grundlegenden Beschlüsse sollen spätestens im Frühjahr 2017 getroffen sein.
       
       Gymnasialrektor Bruckner glaubt, dass Bayern bald zum Standard G9
       zurückkehrt. Das Modell G8 sei politisch nicht mehr tragbar: „Dafür gibt es
       in der Bevölkerung einfach zu viele Kritiker.“ Mit der neuen Wahlfreiheit
       sind die Gymnasien aber auch nicht zufrieden.
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Minh Schredle
       
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