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       # taz.de -- Olympianacht in Rio: Schmerz geht vorbei, Olympia auch
       
       > Turnvater Japan verteidigt den Titel, Nordkorea benutzt sprachgesteuerte
       > Tischtennisschläger und die „Bula Boys“ unterliegen den „Hrubesch Boys“.
       
   IMG Bild: Turnvater Japan: Kohei Uchimura
       
       Der Wettkampf der letzten Nacht: Bunt gekleidete, muskulöse Männer, die mit
       wehenden Achselhaaren durch die Luft wirbeln: Wir sind nicht in der
       MDR-Kantine, sondern beim Turnen; Finale im Mehrkampf Einzel. Der Stream
       zeigt wartende Turner. Was er nicht zeigt: turnende Turner. Die
       Kommentatoren tadeln die „Weltregie“.
       
       Dann Fachsimpelei über Turnübungen am Reck, die nach Namen von
       Dialyse-Patienten aus Gifhorn klingen: „Brettschneider 1“ und
       „Brettschneider 2“. Dahinter verbirgt sich aber die Spezialattacke des
       deutschen Turners Andreas Brettschneider: Ein doppelter Kater Mikesch mit
       zwei Weltumrundungen in gestreckter Variante. Oder so. Leider greift er
       beim „Brettschneider 2“ daneben – Platz 20. Kommentator Ronny Ziesmer
       versenkt eine stille Träne im Samt des kobaltblauen
       ARD-Rio2016-Berichterstatter-Bademantels. Und Marcel – „Pride is temporay,
       prejudice is forever“ – Nguyen? Landet auf Platz 19.
       
       Der Abend und das Gold gehören Kohei Uchimura. Die Reporter kriegen sich
       nicht ein. Kollegen wollen gesehen haben, wie der Japaner noch im
       Achteinviertelumdrehungsflug einen kleinen Origami-Kranich gebastelt und
       seinen Fans zugeworfen hat. Oleh Wernjajew (Ukraine) bekommt Silber, Max
       Whitlock (Großbrittanien) Bronze. Empfohlener Drink: „Kaba Fit“.
       
       Die Athletin der letzten Nacht: Song I Kim aus Nordkorea, 22 Jahre alt. Sie
       flüstert ihrem roten Tischtennisschläger im Tischtennis-Finale um Bronze
       ungefähr so hingebungsvoll Geheimnisse zu, wie einst Kara Ben Nemsi (Der
       Schut) seinem Pferd Rih, bevor es über die Schlucht springt. Rih wird
       danach erschossen. Kim aber triumphiert über Ai Fukuhara aus Japan und
       gewinnt Bronze. Ihr Schläger darf den Lebensabend auf einem Gnadenhof in
       der Nähe von Wŏnsan fristen. Empfohlener Drink: „Makgeolli“.
       
       Das „Ach du heilige Scheiße“ der letzten Nacht: Gewichtheben der Männer, 77
       Kilogramm: Der Armenier Andranik Karapetyan – so schnell kann die
       „Weltregie“ gar nicht reagieren, wie die fallende 195-Kilo-Langhantel
       seinen Ellenbogen verschiebt. Es wird ja auch sonst viel geschrien beim
       Gewichtheben. Aber nicht so. Gute Besserung, Andranik! Nijat Rahimov aus
       Kasachstan holt mit 379 gestemmten Kilo die Goldmedaille. Empfohlener
       Drink: „Kumys“ – mit einem Schuss Morphium.
       
       Das andere Drama der letzten Nacht: Es war schon eine Leistung der
       Fußballer aus der Republik Fidschi, dass Sie überhaupt noch liefen.
       Naturgemäß hat der Profifußballer bereits ab dem ersten Gegentor wenig Lust
       überhaupt noch einen Schritt zu tun. Wie geht es ihm dann erst bei sieben,
       Moment, acht, nein, neun, äh, zehn Gegentoren?
       
       Dabei hatten die „Bula Boys“ das Team Mikronesien in der
       Olympia-Qualifikation noch mit 38:0 zerstäubt. Doch die Deutschen
       präsentierten sich natürlich mal wieder als überperformende Spaßbremsen.
       Weil dem deutschen Untertan eben schon mit einem Jahr eingetrichtert wird,
       dass Fußball nix mit Spaß zu tun hat. Deshalb gibt es Bier. Empfohlener
       Drink: „frisches Fidschi vom Fass“.
       
       Die Schlussfolgerung der letzten Nacht: Jeder Turner hat – laut Reporter –
       sein eigenes Magnesium mit. Männer, die in kurzen bunten Hosen über
       Sprungtische segeln – ja sicher, Magnesium! Und der Trainer von Kohei
       Uchimura sieht zwar nicht so aus, doch es ist zu vermuten, dass es sich um
       Mr. Miyagi aus „Karate Kid“ handelt: „Auftragen, rechte Hand. Polieren,
       linke Hand.“ Dafür haben die ukrainischen Turntrainer eine Goldmedaille für
       ihre schönen Polo-Hemden verdient. Modell: „Kandinsky auf Crack“.
       Empfohlener Drink: „Ayahuasca“.
       
       Und sonst? Erste Bronzemedaille für die deutsche Mannschaft: Judoka Laura
       Vargas Koch gewinnt das kleine Finale im Klamottenzergeln gegen die große
       Spanierin Maria Bernabeu. Ansonsten Säbelrasseln: Aron Szilagyi (Ungarn)
       holt Gold gegen Daryl Homer (USA). Beim Fechtfinale kommt Inna Deriglasowa
       (Russland) zum Goldstich gegen Elisa Di Francisca (Italien). Gold auch für
       Tischtennisspielerin Ning Ding – klingt schon so golden. Naja, Schwimmen
       ist auch noch. Doch die olympiageblendeten Augen sehen nur noch helle
       Schemen, die durch Wasser gleiten. Es könnten auch fleischfarbene Haie
       sein. Aber wer weiß das schon so genau. Schweigen ist Gold.
       
       11 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Axel Weidemann
       
       ## TAGS
       
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