# taz.de -- Arte-Doku über Punk: Burn, Baby, burn
> Campino macht sich für Arte auf nach London – zur Wiege des Punk. Als
> Interviewer begegnet er dort auch ehemaligen Weggefährten.
IMG Bild: Jetzt also auch Interviewer: Campino ist unterwegs auf der Suche nach den Ursprüngen des Punk
Campino, der Sänger der Toten Hosen, ist es gewohnt, vor der Kamera
agieren. Trotz dieser über Jahrzehnte entwickelten Routine wirkt er in der
Dokumentation „London’s Burning. Campino auf den Spuren des Punk“ teilweise
unlocker – was natürlich damit zu tun hat, dass er hier nicht interviewt
wird, sondern selbst Interviews führt.
Man hat den Eindruck, dass er sich manchmal fragt, ob er auf die Antworten
seiner Gesprächspartner als Privatperson reagieren soll oder als
professioneller Interviewer. Unsympathisch wirkt diese Unsicherheit aber
keineswegs.
„London’s Burning“, Teil des seit Mitte Juli laufenden Arte-Schwerpunkts
„Summer of Scandals“, ist eine Art Jubliäumsfilm. Punk wird bekanntlich 40
Jahre alt in diesem Jahr. Als Interviewer haben die Programmmacher Campino
auch deshalb ausgewählt, weil er mit einigen Londoner Veteranen gut bekannt
ist – dank der gemeinsame Aufnahmen für das 1991 entstandene
Tote-Hosen-Album Learning „English Lesson One“.
Dass Campino nun alte Kumpels aufsucht, beschert dem Zuschauer unter
anderem obskures Detailwissen – Arturo Bossick von den Lurkers erzählt, er
habe zu Beginn seiner Punk-Phase in vier Monaten 36 Stranglers-Konzerte
gesehen -, aber auch eine hübsche Unplugged-Version des Adverts-Klassikers
„Gary Gilmore’s Eyes“, präsentiert von TV Smith, dem einstigen Sänger der
Band.
## Der erste Auftritt ohne Song
Die anregenden Gespräche führt Campino aber mit anderen Zeitzeugen, etwa
dem Gitarristen Marco Pirroni, der im September 1976 dabei war beim
sagenumwobenen ersten Auftritt von Siouxsie & The Banshees im 100 Club, Die
Band mit dem späteren Sex-Pistols-Bassisten Sid Vicious am Schlagzeug
spielte damals 20 Minuten, ohne ein Lied eingeübt zu haben. Das sei „der
erste Auftritt in der Geschichte ohne einen geschriebenen Song“ gewesen,
sagt Pirroni.
Ob das stimmt, ist eine andere Frage. Der Satz vermittelt aber einen
Eindruck von der Wirkung des Konzerts, von dem man bei YouTube zumindest
zehn Minuten hören (aber leider nicht sehen) kann.
„Es waren die Boulevardzeitungen, die Punk machten“, sagt Pirroni auch. Sie
hätten mit Empörung Geld verdienen wollten – und so dazu beigetragen, dass
manche Jugendliche überhaupt erst Wind bekamen von dieser teuflischen
Sache. Er bezieht sich dabei auf die Reaktionen der Presse auf die
punk-historisch einschneidende Ausgabe der TV-Show „Today“, in der die Sex
Pistols den Moderator Bill Grundy beschimpften.
## Ein bisschen wichtigtuerisch
Ärgerlich ist unter anderem, dass Campino ein Interview mit dem Pop- und
Modehistoriker Paul Gorman mit den wichtigtuerischen Worten „Er unterbricht
seine Arbeit an einer Biographie über Malcolm McLaren, um mit mir zu reden“
einleitet. Verzichtbar auch sein Gesangsduett mit dem 72-jährigen
Punk-Veteran Charlie Harper.
Zu verschmerzen sind solche Schwächen vor allem dank der Statements der
Musikerin und Autorin Viv Albertine, deren Autobiographie [1][„A typical
girl“], in der sie auf unprätentiöse und einnehmende Art Persönliches und
Popkulturgeschichtliches verschränkt, im Mai auf Deutsch erschienen ist.
13 Aug 2016
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## AUTOREN
DIR René Martens
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