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       # taz.de -- 20 Jahre Smartphone: Geschichte eines Massentrends
       
       > Das erste Smartphone war noch als mobiles Büro mit Fax-Anschluss
       > konzipiert. Jetzt ist es aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.
       
   IMG Bild: Aus dem „Büro im Westentaschenformat“ wurde ein ständiger Begleiter und persönlicher Assistent
       
       Berlin dpa | Ein typischer Smartphone-Nutzer in Deutschland sieht im
       Schnitt 88 Mal täglich aufs Handy. Das ist zumindest das Ergebnis der
       Studie des Bonner Wissenschaftler Alexander Markowetz. 35 Mal überprüft der
       Anwender nur, ob eine Mitteilung eingetroffen ist oder will wissen, wie
       spät es ist. Immerhin 53 Mal am Tag entsperrt der Nutzer das Gerät, um eine
       Nachricht zu schreiben, ein Foto aufzunehmen, eine App zu starten oder im
       Web zu surfen. Die Bedeutung im Alltag schlägt sich auch in den
       Verkaufszahlen nieder: 2016 werden allein in Deutschland nach Schätzungen
       des Branchenverbandes Bitkom rund 28 Millionen Smartphones verkauft werden.
       
       Dieser Massentrend war zu Beginn der Smartphone-Ära vor 20 Jahren noch
       nicht in Sicht. Dieses Zeitalter begann im Jahr 1996 – über zehn Jahre vor
       dem ersten iPhone. Auf der CeBIT in Hannover kündigte der finnische
       Mobilfunkkonzern Nokia den „Nokia 9000 Communicator“ als „Büro im
       Westentaschenformat“ an, der dann am 15. August 1996 in die Läden kam. Als
       eine der wichtigsten Funktionen wurde damals angepriesen, dass der
       aufklappbare „Communicator“ auch Faxe senden und empfangen konnte. Außerdem
       brachte das rund 400 Gramm schwere Gerät, das für 2700 D-Mark verkauft
       wurde, auch einen elektronischen Kalender, ein digitales Adressbuch, eine
       Notizanwendung und einen Taschenrechner mit.
       
       Manche Experten sehen im „Simon Personal Communicator“ das erste Smartphone
       der Welt, der bereits ab August 1994 von IBM in den USA verkauft wurde.
       Doch im Gegensatz zum „Communicator“ von Nokia konnte man mit dem klobigen
       „Simon“ von IBM nicht im Web surfen, was für die meisten Technik-Historiker
       den Begriff „Smartphone“ mitdefiniert. Und während IBM sich bald wieder vom
       Markt zurückzog, legte Nokia immer weiter nach. 1999 brachten die Finnen
       mit dem „Nokia 7110“ das erste WAP-Handy auf den Markt, mit dem man für
       mobile Verbindungen formatierte Web-Seiten aufrufen konnte. Zusammen mit
       Samsung begründete Nokia dann 2004 mit seinen Geräten die dritte
       Mobilfunkgeneration UMTS in Deutschland.
       
       ## Ende des „thermonuklearen“ Patentkriegs
       
       Es blieb aber Apple-Chef Steve Jobs überlassen, dem Smartphone-Markt den
       entscheidenden Impuls zu geben. In einer inzwischen legendären Präsentation
       zum Auftakt der Messe MacWorld am 9. Januar 2007 versprach er dem Publikum
       gleich drei Geräte: einen Musikplayer mit Touch-Bedienung, ein
       revolutionäres Telefon und einen grundlegend neu konzipierten
       Internet-Kommunikator. Jobs wiederholte die drei Begriffe so oft, bis es
       alle im Saal begriffen hatten und laut johlten: Alle drei Funktionen
       steckten in einem Gehäuse. Das iPhone betrat die Bühne und sollte den Markt
       grundlegend umkrempeln.
       
       Die damaligen Mobilfunkpioniere Nokia, Motorola und Blackberry wurden von
       der iPhone-Ankündigung kalt erwischt und hatten selbst Jahre später noch
       große Schwierigkeiten, eine angemessene Antwort zu geben. Nur Google mit
       seinem damaligen Chef Eric Schmidt war gut vorbereitet. Schmidt saß seit
       2006 auch im Verwaltungsrat von Apple und hatte wohl mitbekommen, in welche
       Richtung sich der Zukunftstrend im Mobilfunk bewegen wird.
       
       Schon im Sommer 2005 hatte Google das Start-up Android übernommen, um eine
       Steuerungssoftware für Kameras zu entwickeln. Doch nach der iPhone-Premiere
       wurde das Projekt neu ausgerichtet und im November 2007 die Open Handset
       Alliance mit mehreren Hardware-Herstellern als Gegenspieler zu Apple
       positioniert. Im Oktober 2008 kam mit dem HTC Dream das erste
       Android-Smartphone auf den Markt. Apple-Chef Jobs tobte, weil die
       Android-Oberfläche dem iPhone so sehr ähnelte. Es gelang Apple allerdings
       nicht, das Google-System vor Gericht auf bereiter Front stoppen zu lassen.
       Jobs' Nachfolger Tim Cook beendete schließlich den „thermo-nuklearen“
       Patentkrieg.
       
       Neben Google kann sich Samsung als Gewinner des danach einsetzenden
       Android-Booms fühlen. Im ersten Quartal 2012 lösten die Südkoreaner Nokia
       als weltgrößten Mobilfunkhersteller ab. Diese Spitzenposition hatte Nokia
       seit 1998 innegehalten. Der Abstieg der Finnen beschleunigte sich ab 2011,
       weil die Nokia-Entwickler nicht in der Lage waren, ihr Symbian-System zu
       einer attraktiven Alternative zu Apples iOS oder Android von Google zu
       erneuern. Der damalige Nokia-Chef Stephen Elop beschwor im Februar 2011
       seine Mitarbeiter: „Wenn man auf einer brennenden Öl-Plattform steht, hat
       man zwei Möglichkeiten: Entweder zu bleiben und zu verbrennen, oder ins
       kalte Wasser zu springen.“
       
       ## Höhepunkt des Smartphone-Boom überschritten?
       
       Nokia wagte den Sprung ins Wasser und wurde vom Rettungsboot Microsoft mit
       seinem Windows-System aufgenommen. Doch konnte das Manöver die
       Nokia-Smartphone-Sparte nicht vor dem Untergang bewahren. Dieser
       Geschäftsbereich von Nokia sowie die Patente der Finnen landeten im April
       2014 für 5,4 Milliarden Euro bei dem US-Konzern. Nach einer Serie von
       schlechten Quartalsergebnissen wurde die Sparte vom neuen Microsoft-Chef
       Satya Nadella aber auch schon wieder abgewickelt.
       
       Schaut man sich die aktuellen Absatzzahlen der unterschiedlichen
       Smartphone-Systeme an, kann man klar erkennen, wie sehr Android sich am
       Markt durchgesetzt hat: Knapp 294 Millionen Geräte mit dem Google-System
       wurden im ersten Quartal 2016 verkauft, fast sechs Mal mehr als die 51,6
       Millionen iPhones, die in diesem Zeitraum abgesetzt wurden. Allerdings
       fährt Apple immer noch den Löwenanteil der Gewinne ein, während andere
       Hersteller kaum schwarze Zahlen erzielen. In der Absatzstatistik landet
       Microsoft mit Windows Phone mit 2,6 Millionen Geräten abgeschlagen auf
       Platz drei. Und die Blackberry-Smartphones fallen mit 0,6 Millionen Stück
       schon fast aus der Statistik raus.
       
       Inzwischen fragen sich etliche Beobachter, ob der Boom der Smartphones
       nicht seinen Höhepunkt überschritten hat. Die jüngsten Absatzzahlen lagen
       nur noch marginal über den Vorjahreswerten. Und da die Preise immer weiter
       fallen, verzeichnete die Branche erstmals seit langer Zeit einen
       Umsatzrückgang. Apple-Chef Tim Cook zumindest glaubt aber nicht an diese
       These. Das Smartphone sei inzwischen für das Leben der Menschen essenziell,
       sagte er bei der Telefonkonferenz zu den jüngsten Quartalsergebnissen.
       Künstliche Intelligenz werde diesen Trend noch verstärken. „Da das Telefon
       immer stärker dein Assistent wird, gehört es zu den Dingen, ohne die man
       das Haus nicht verlässt.“ Dieser Trend werde auch das Geschäft positiv
       beeinflussen.
       
       15 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Dernbach
       
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