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       # taz.de -- Miese Straßen schaden dem Handwerk: Die Fassbombe des kleinen Mannes
       
       > Der Mittelstand wird durch schlechte Verkehrswege belastet. Kurze Zeit
       > auf hiesigen Rennpisten reichen, um zu verstehen: Das ist eine gute
       > Nachricht.
       
   IMG Bild: Können tödliche Waffen sein
       
       Dass sich für das „Fahrzeug-Segment Kleintransporter“ (Die Zeit) die
       Bezeichnung „Sprinter“ durchgesetzt hat, ist für den ungepanzerten
       Verkehrsteilnehmer selbsterklärend: Kein Tag im öffentlichen Raum vergeht,
       ohne dass die Fassbombe des kleinen Mannes nicht ferrari-röhrend anfährt,
       schneidig abbiegt, und nach-mir-die-Matschepampe-mäßig ins vermeintlich
       Freie zurückstößt.
       
       Bei so viel alltäglicher Freude am Fahren verwunderte es, als die FAZ vom
       Montag mit einer Veröffentlichung vorpreschte: Nach einer Umfrage des
       Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) unter knapp 5.900 Betrieben
       sieht jeder dritte Handwerksbetrieb seine Geschäfte durch den
       unzureichenden Zustand deutscher Straßen beeinträchtigt. Straßenmängel
       kosteten die Betriebe wöchentlich im Schnitt 7,4 Stunden!
       
       Aber hey, Zahlen können wir auch! Im Forschungsbericht der Autoversicherer
       und des Verbands der Automobilindustrie zur Sicherheit von
       Kleintransportern aus dem Jahr 2012 ([1][PDF]) waren es die
       Handwerksbetriebe und sonstige Gewerbetreibende, die die Mehrheit der
       Unfallverursacher beim Kleintransporter ausmachten.
       
       56 Prozent der mit einer „Pkw-Front“ kollidierenden Fußgänger würden auf
       das Fahrzeug „aufgeladen“, beim Kleintransporteranprall hingegen würden 75
       Prozent „weggeschleudert“. „Gegner“ in der „Unfallkinematik“ seien beim
       Rückwärtsfahren primär ältere Menschen (Ü60). Es waren wohl solche Daten,
       die Bettina Zahndt vom rufmäßig superneutralen Schweizer
       Versicherungsanbieter Axa-Winterthur im Sommer 2015 zu der Beurteilung
       kommen ließen, Sprinter seien, „schwer, unübersichtlich und gefährlich“.
       
       ## Rennwalze an sich
       
       Das Problem, heißt es aber nun sowohl im deutschen Forschungsbericht als
       auch [2][in einem Artikel der Zeit], der die Schweizer Untersuchung
       referierte, seien keineswegs die schweren, unübersichtlichen und
       gefährlichen Rennwalzen an sich, nein: Die Fahrer seien schuld am
       „weggeschleuderten“ Verkehrsteilnehmermaterial Ü60 und am zerbatzten U6,
       der menschliche Faktor eben, der gute alte, fehlerhafte Homo sapiens, der
       zu schnell, zu unaufmerksam, zu ungebremst und zu angeschnallt unterwegs
       sei, obwohl doch der ZDH-Umfrage zufolge, das marode deutsche Straßennetz
       „zum langsamen Fahren zwinge“.
       
       Am Ende bleibt die FAZ aber doch die FAZ, die großbürgerliche Zeitung
       nämlich, bei der man mit kleinbetrieblicher Heuchelei nicht durchkommt: 60
       Prozent der Teilnehmer der ZDH-Umfrage, heißt es als Pointe des
       Vorabberichts, legen nämlich mehr Wert auf Reparatur denn auf den Neubau
       heimischer Straßen – und zwar mit Finanzierungsmodellen, die sie mit
       einbeziehen: „Es darf nicht passieren“, wird ZDH-Präsident Wollseifer
       zitiert, „dass Milliarden für Straßenbau an der mittelständischen
       Wirtschaft vorbeifließen.“
       
       Mit der einen Hand jammern, die andere aufhalten und den Fuß immer
       unbekümmert auf dem Gas: So quetscht und prescht er, der rasende
       Mittelstand. Man kann da nur hoffen, dass der ob seines Sparwahns viel
       gescholtene Minister Wolfgang Schäuble nicht doch noch zur Vernunft kommt:
       Jedes Schlagloch, dass den Großen Preis des deutschen Handwerks auf unseren
       Straßen wenigstes etwas einbremst, rettet Menschenleben.
       
       15 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.bast.de/DE/Verkehrssicherheit/Publikationen/Download-Publikationen/Downloads/U-kleintransporter-2012.pdf?__blob=publicationFile&v=1
   DIR [2] http://www.zeit.de/mobilitaet/2015-08/verkehrssicherheit-sprinter-kleintransporter-unfallforschung
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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