URI: 
       # taz.de -- Ex-Fifa-Chef João Havelange ist tot: Dunkler Fürst des Weltfußballs
       
       > Er machte die Fifa zum globalen Konzern, galt als korrupt und kooperierte
       > mit Diktatoren. Hundertjährig ist João Havelange nun in Rio de Janeiro
       > gestorben.
       
   IMG Bild: Olympische Ringe, aber kein Heiligeschein: João Havelange im Jahr 2009
       
       Rio de Janeiro dpa | Zuletzt war es ruhig um den Patriarchen geworden. Mit
       eiserner Disziplin, bis ins hohe Alter ging er seiner Leidenschaft fürs
       Schwimmen nach, schaffte es João Havelange in den Club der 100-Jährigen.
       Den Jubeltag beging er aber eher im kleinen Rahmen in Rio de Janeiro, mit
       einigen Weggefährten war es zum Bruch gekommen.
       
       24 Jahre lang, von 1974 bis 1998, war João Havelange der dominante
       Funktionär des Weltfußballs. Er entwickelte die Fifa zum globalen Konzern
       mit professionellen, aber auch korruptionsanfälligen Strukturen. Zum
       epochalen Skandal des Weltfußballverbandes hielt sich der Brasilianer bis
       zuletzt öffentlich bedeckt. Am Dienstag ist Havelange im Alter von 100
       Jahren in seiner Heimatstadt Rio de Janeiro gestorben.
       
       Am 8. Mai 1916 wurde er in der brasilianischen Metropole geboren, da war
       die Fifa gerade erst zwölf Jahre alt. Er war ein begeisterter Sportler.
       Zweimal nahm er sogar an Olympischen Spielen teil, als Schwimmer 1936 in
       Berlin und als Wasserballer 1952 in Helsinki. Danach schlug Havelange
       schnell eine Funktionärskarriere ein. Von 1958 an war er Chef des
       brasilianischen Sportverbandes, bevor er ab 1974 die Geschicke der Fifa
       übernahm.
       
       An João Havelange schieden sich die Geister. Einerseits expandierte in
       seiner Amtszeit die Fifa zu einem Unternehmen, das heute Milliarden
       umsetzt. Anderseits stand auch er selbst im Verdacht der Korruption. Die
       bankrotte Sportmarketing-Firma ISL soll über 100 Millionen Dollar in den
       1990er Jahren an hochrangige Funktionäre gezahlt haben, auch an Havelange.
       Als Gegenleistung wurden der ISL lukrative TV- und Vermarktungsrechte
       zugeschanzt. Sepp Blatter war unter Havelange Fifa-Generalsekretär und
       wurde von ihm gefördert – als eine Art Ziehsohn.
       
       Über den Skandal zerbrachen so manche Freundschaft und geschäftliche
       Beziehungen. Havelange gab schon 2013 seinen Titel als Ehrenpräsident der
       Fifa ab. In einem angeblich von ihm stammenden Brief soll er Blatter
       vorgeworfen haben, von allen Entwicklungen rund um die ISL im Bilde gewesen
       zu sein. Der Spiegel schrieb mal, dass sich die Vita Havelanges lese wie
       „eine gegen Skrupel weitgehend immune Chronique scandaleuse“. Er galt stets
       als Meister des Stimmengeschachers.
       
       Er protegierte Ricardo Teixeira, bis 1997 sein Schwiegersohn und bis 2012
       skandalumwitterter Chef von Brasiliens Fußballverband. Auch Teixeira soll
       tief verstrickt sein in den ISL-Skandal. Mit Pelé überwarf sich Havelange,
       weil der die Korruption in Brasiliens Fußball anprangerte.
       
       Die Fehde ging soweit, dass Havelange der Fußball-Legende die Einladung zur
       Auslosung für die WM 1994 in den USA entzog. Der als sehr autoritär
       geltende Havelange war 48 Jahre lang, von 1963 bis 2011, Mitglied des
       Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Wegen des ISL-Skandals zog er
       sich auch hier zurück, er kam dabei seinem Rauswurf zuvor. Aber anders als
       einigen Funktionären im aktuellen Fifa-Skandal blieb ihm eine
       internationale Strafverfolgung erspart. Ohnehin betonte er, nie illegal
       Geld angenommen zu haben.
       
       ## Zeuge der Niederlage gegen Uruguay
       
       Immer wieder gab es Kritik, dass Havelange mit diktatorischen Regimes
       kooperiere. In seine Amtszeit fiel die weltweit heftig kritisierte
       Fußball-WM 1978, als in Argentinien eine brutale Militär-Diktatur
       herrschte. Er förderte zugleich den Fußball in Entwicklungsländern. Die
       Aufstockung der Fußball-WM von 16 auf 24 und von 1998 an auf 32 Nationen
       steigerte die Einnahmen des Weltverbandes massiv.
       
       „Als ich ankam, fand ich ein altes Haus und 20 Dollar in der Kasse. Als ich
       24 Jahre später ging, hinterließ ich Eigentum und Verträge im Wert von vier
       Milliarden Dollar“, sagte Havelange über sein Wirken an der Fifa-Spitze. Zu
       seinem Amtsantritt hatte die Fifa-Zentrale gerade mal zwölf feste
       Mitarbeiter. Als er ging, waren es laut Fifa rund zehnmal so viele.
       
       Gerne hätte er Brasilien bei der WM im eigenen Land 2014 siegen sehen. Er
       war selbst Zeuge, als sich bei der davor letzten WM daheim – am 16. Juli
       1950 – mit der 1:2-Niederlage gegen Uruguay eine für die Brasilianer
       sportliche Tragödie im Maracanã ereignete. Aber daraus wurde nichts. Das
       1:7 im Halbfinale gegen Deutschland 2014 wird in Havelanges Heimat heute
       als nicht minder große Schmach angesehen.
       
       16 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Georg Ismar
       
       ## TAGS
       
   DIR Brasilien
   DIR Rio de Janeiro
   DIR Fifa-Präsident
   DIR Fifa
   DIR Nachruf
   DIR WM-Vergabe
   DIR Joseph Blatter
   DIR Schwerpunkt Fußball-EM 2024
   DIR Fifa
   DIR Schweiß
   DIR Fifa
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Übertragung der WM-Auslosung: Maria, zieh dir bitte etwas an!
       
       Im Iran machen sich Fußballfans Sorgen über die Kleidung der Moderatorin
       zur WM-Auslosung. Doch was sie trägt, entscheidet die FIFA.
       
   DIR Korruption bei der Fifa: Sportgericht bestätigt Blatter-Sperre
       
       Ex-Fifa-Chef Sepp Blatter bleibt weiterhin von allen Fußball-Aktivitäten
       ausgeschlossen. Der Internationale Sportgerichtshof hat die Sperre
       bestätigt.
       
   DIR EMtaz: DFB verlängert mit Adidas: Immer weiter im großen Business
       
       Kein Großsponsor hat so viel für die Korruption im Weltsport getan wie der
       mächtige Sportartikelhersteller. Macht nichts, findet man beim DFB.
       
   DIR Arte-Doku „Die große Fifa-Story“: Was hat dich bloß so ruiniert?
       
       In dieser Woche wird der Nachfolger von Sepp Blatter gewählt. Arte zeigt
       zur Einstimmung, wie aus dem Weltfußballverband geworden ist, was er heute
       ist.
       
   DIR 16 Fifa-Funktionäre in USA angeklagt: „Unerhörtes“ Ausmaß an Korruption
       
       Die US-Justiz hat gegen 16 weitere Fifa-Funktionäre Anklage erhoben.
       Darunter sind fünf amtierende und ehemalige Mitglieder des
       Exekutivkomitees.
       
   DIR Kolumne Press-Schlag: Abgeblattert
       
       Es gibt kaum etwas Unwichtigeres als die Personalie des Fifa-Präsidenten.
       Sepp Blatter ist nicht das Problem und Prinz Ali nicht die Lösung.