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       # taz.de -- Dokumentarfilm über Spitzel: „Opfer ihrer eigenen Ermittlungen“
       
       > Ein Filmteam arbeitet an einer Doku über verdeckte ErmittlerInnen in der
       > linken Szene. Verantwortliche vor die Kamera zu kriegen, ist schwer, sagt
       > der Regisseur.
       
   IMG Bild: „Das Vortäuschen von Identitäten interessiert auch auf psychologischer Ebene“, sagt Hannes Obens, der Regisseur von „Im inneren Kreis“
       
       taz: Herr Obens, wie kommt man für einen Dokumentarfilm über verdeckte
       ErmittlerInnen an Material? 
       
       Hannes Obens: Es hat natürlich Zeit in Anspruch genommen, Leute von unserem
       Projekt zu überzeugen – einerseits auf staatlicher Seite, andererseits die
       Überwachten. Letztlich haben wir aber nicht nur Betroffene aus dem Umfeld
       der Roten Flora und dem Heidelberger Studentenkreis gefunden. Sondern auch
       von staatlicher Seite, zum Beispiel den früheren Generalbundesanwalt Kay
       Nehm, der den Einsatz der verdeckten Ermittlerin Iris P. veranlasst hat.
       
       Haben sich auch politisch Verantwortliche vor der Kamera geäußert? 
       
       Bisher leider nicht. Das ist wirklich schwierig – viele haben komplett
       zugemacht, auch mit Argumentationen, die uns fragwürdig erscheinen.
       
       Zum Beispiel? 
       
       Hamburgs Innensenator Andy Grote, weil er zur Zeit der Einsätze noch nicht
       im Amt war. Aber zum Komplex verdeckte Ermittler könnte er sich ja trotz
       allem äußern. Es käme keiner auf die Idee, ihn rückwirkend verantwortlich
       zu machen. Wir wollen schließlich beide Seiten zeigen und keine
       Inquisitoren sein.
       
       Ist es nicht ermüdend, Leute zu überreden, die sich eigentlich nicht vor
       laufender Kamera dazu äußern wollen? 
       
       Manchmal schon, aber das ist auch das Spannende. Die ganze Bandbreite an
       Betroffenen und Involvierten zeigt, was solchen Einsätzen implizit ist:
       Dass Dinge, die einen polizeilich-juristischen Hintergrund haben, schnell
       sehr persönlich werden können. Und die moralisch-ethischen, aber auch
       politischen Schwierigkeiten, die solche Polizeiaktionen zwangsläufig mit
       sich bringen.
       
       Konnten Sie auch mit verdeckten ErmittlerInnen sprechen? 
       
       Wir sind ganz gut in diesen Kreis vorgedrungen und haben Gespräche geführt.
       Auch bei Polizisten besteht ein Bedürfnis, darüber zu sprechen. Die
       BeamtInnen sind ja auch selbst betroffen. Und werden zu Opfern ihrer
       eigenen Ermittlungen.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Man muss sich fragen: Wenn man Leute in ein persönliches Umfeld einschleust
       – was weckt das auch bei den BeamtInnen? Das hat dramatische Auswirkungen.
       Iris P. war sechs Jahre und Maria B. sieben Jahre im Einsatz. Du belügst
       dein Umfeld, lebst in der Szene, und nach sieben Jahren bist du plötzlich
       raus, verlierst deine zweite Heimat. Das ist der soziale Tod. Ich möchte
       mir nicht vorstellen, wie es den Menschen geht, die enttarnt wurden.
       
       Was wollen Sie mit dem [1][Film] bewirken? 
       
       Wir wollen einen Diskurs anregen über das Verhältnis von Freiheit und
       Sicherheit. Das Thema Überwachung ist abstrakt und scheint immer weit weg.
       Aber diese Fälle, in die Menschen reingezogen wurden, nur weil sie
       irgendwen kannten, machen greifbar, was mit Überwachung zwangsläufig
       einhergeht.
       
       Das Thema verdeckte ErmittlerInnen interessiert auch viele, die damit keine
       Berührungspunkte haben. Was ist so faszinierend? 
       
       Einerseits spielt sicher das James Bond-Szenario eine Rolle – ein
       Geheimagent, der auch in Betten wütet – Sex and Rock’n Roll. Das
       Vortäuschen von Identitäten ist etwas, das Leute interessiert, auch auf der
       psychologischen Ebene. Und sicherlich hat es auch mit dem Stasi-Komplex zu
       tun. Wir haben viel darüber erfahren, wie die Stasi vorgegangen ist, die ja
       auch überhaupt keine Privatsphäre geachtet hat. Aber wir wissen relativ
       wenig darüber, was heute hier so passiert.
       
       Wird man paranoid, wenn man sich so viel damit beschäftigt? 
       
       Das sollte man nicht und muss man auch nicht! Es ergeben sich einem aber
       viele Fragen. Zum Beispiel, gegen wen solche scharfen Waffen wie verdeckte
       Ermittler eingesetzt werden. Gerade bei dem Heidelberger Fall – da war ein
       studentisches Milieu betroffen. Wie kann so etwas passieren? Dass da ein
       Netz ausgeworfen wird, und man guckt dann, was ist da drin, auch so an
       Beifang. Ich glaube, so muss man sich viel von der Ermittlungstätigkeit
       vorstellen. Ich habe große Zweifel an dem Instrumentarium. Es ist sehr
       gefährlich.
       
       Welche Gefahren sehen Sie? 
       
       Dass das Instrument zu sehr ausgeweitet wird und dem Staat ein zu großes
       Handlungsfeld eingeräumt wird, in Privatsphären vorzudringen. Man darf
       nicht vergessen, dass Menschen immer erpressbar werden, wenn man
       Informationen über sie gewinnt.
       
       Warum fliegen ErmittlerInnen immer in Hamburg auf – und nicht
       beispielsweise in Berlin? 
       
       Ich glaube, dass der Fall Iris P. eine Lawine ins Rollen gebracht hat und
       die Leute danach intensiv recherchiert haben. Und, dass die linken
       Strukturen in Hamburg gut funktionieren. Ich glaube, dass in Berlin vieles
       oberflächlicher läuft, Bekanntschaften vielleicht auch. Da verdächtigt man
       jemanden und dann verläuft es sich. In Hamburg gibt es eine langjährige
       linksradikale Szene, die viele Erfahrungen im Umgang mit verdeckten
       Ermittlern hat, das Thema ernst nimmt und zusammenhält. Da gibt es eben
       auch ein staatliches Interesse dran.
       
       Seit Sie an dem Film arbeiten, sind schon zwei weitere Ermittlerinnen
       aufgeflogen. Rennt Ihr Team immer den aktuellen Entwicklungen hinterher? 
       
       Die Entwicklungen halten uns ganz schön auf Trab. Aber man kann es auch
       positiv sagen: Die Relevanz unseres Themas wird ständig unterstrichen. Es
       gibt starke Bezüge zwischen den Fällen. Die saßen ja teilweise auf den
       gleichen Plena. Außerdem haben wir viel Neues rausgefunden, das noch nicht
       bekannt ist. Insofern ist man immer hinterher aber gleichzeitig auch
       voraus.
       
       Sie haben sich um die Hamburger Filmförderung beworben – aber nicht
       bekommen. Warum nicht? 
       
       Das ist ein bisschen spekulativ, weil einem da keine Gründe genannt werden.
       Ich glaube, dass Scheuklappen eine Rolle spielen.
       
       Sie meinen, es ist politisch nicht gewollt? 
       
       Ich glaube nicht, dass es sich sozusagen eins zu eins von oben nach unten
       widerspiegelt – da sitzen ja hoffentlich unabhängige Leute in der Jury.
       Aber bei dem Thema sind offensichtlich manche sehr voreingenommen. Nach dem
       Motto „Ihr wollt doch nur eure linksradikale Position durchziehen.“ Die
       gucken dann vielleicht gar nicht genau hin, oder fördern lieber einen Film,
       der weniger brenzlig ist.
       
       Es gibt eine Spendenaktion um den Film zu finanzieren. Kann das Projekt
       noch scheitern? 
       
       Wir stehen vor finanziellen Schwierigkeiten, aber wir sind optimistisch,
       dass wir sie lösen können – aber wir brauchen Unterstützung. Selbst wenn
       das Filmteam auf alles Geld verzichten würde, kostet die ganze Technik ja
       auch Geld. Aber wir haben den unbedingten Willen, das durchzuziehen.
       
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       24 Aug 2016
       
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