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       # taz.de -- Haushaltsüberschuss des Staates: Forderung nach Steuersenkungen
       
       > Der Rekordüberschuss des Staates weckt Begehrlichkeiten. Politiker von
       > Union und SPD fordern, einen Teil der Milliarden an die Bürger
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   IMG Bild: „Solide Haushaltspolitik“: volle Kassen beim Staat
       
       Berlin/Torfhaus dpa/afp | Angesichts der Rekordeinnahmen des Staates wird
       der Ruf nach Steuersenkungen lauter. Politiker sowohl der Union als auch
       der SPD machen sich dafür stark, die Bürger an den milliardenschweren
       Überschüssen öffentlicher Haushalte stärker teilhaben zu lassen.
       
       Es könne keinen besseren Beleg für die Notwendigkeit von Entlastungen geben
       als die nun vorgelegten neuen Zahlen, sagte der Vorsitzende der
       Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU, Carsten Linnemann, der Stuttgarter
       Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten (Donnerstag). „Steuersenkungen sind
       nicht nur möglich, sondern auch bitter nötig“, fügt er hinzu. Er regte dem
       Bericht zufolge an, dass der Staat ein Drittel der Steuermehreinnahmen an
       Bürger und Unternehmen zurückgibt.
       
       Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hält deutliche
       Steuersenkungen für möglich. In der Neuen Osnabrücker Zeitung
       (NOZ/Donnerstag) rief der SPD-Landeschef seine Partei dazu auf, sich dem
       Thema zu stellen und Vorschläge für Entlastungen zu entwickeln. „Die SPD
       ist gut beraten, sich auf diese Diskussion einzulassen und ein eigenes
       Konzept zu erarbeiten.“ Der Union dürfe das Feld nicht überlassen werden.
       „Ich halte einen deutlich zweistelligen Milliardenbetrag als Entlastung für
       realistisch“, sagte Weil. Insbesondere die Mittelschicht müsse entlastet
       werden.
       
       Widerspruch kam vom SPD-Haushaltsexperten Johannes Kahrs. Er bezeichnete
       Forderungen nach Steuersenkungen als Schnellschuss. Vorrang habe für die
       SPD die Entlastung von Familien und Arbeitnehmern mit kleinen und mittleren
       Einkommen über die Senkung der Sozialbeiträge, sagte er den beiden
       Stuttgarter Zeitungen.
       
       SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte Steuerentlastungen kleiner und
       mittlerer Einkommen. „Allgemeine Steuersenkungen, von denen auch
       Spitzenverdiener profitieren, sind nicht angesagt“, sagte Oppermann am
       Donnerstag in Torfhaus im Harz vor Journalisten. „Ich sehe einen großen
       Bedarf für die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen.“
       
       Die SPD arbeite dazu an einem Konzept. „Wir müssen unser Steuersystem neu
       justieren“, forderte Oppermann am Rande einer Sommerreise. Der
       Spitzensteuersatz greife derzeit bei einem Einkommen von 60.000 Euro, das
       sei zu früh. Der SPD-Politiker forderte zudem, Haushaltsüberschüsse auch
       „in Bildung und öffentliche Infrastruktur investieren“.
       
       Der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte der
       Bild-Zeitung: „Der Steuertopf ist fett gefüllt mit dem Geld meiner Leute.
       Wenn da nicht endlich was zurückfließt, dann sind die richtig sauer.“ Auch
       der Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten (CDU) verlangte in dem
       Blatt Erleichterungen für Beitragszahler. „Es ist das Geld der Bürger, sie
       sollten am Überschuss beteiligt werden. Eine Bürger-Dividende, z.B. als
       Steuerentlastung für Familien, wäre das richtige Signal.“
       
       ## Rekordüberschuss von 18,5 Milliarden Euro
       
       Das Statistische Bundesamt hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass der Staat im
       ersten Halbjahr 2016 mit einem Rekordüberschuss von der robusten Konjunktur
       und den niedrigen Zinsen profitiert hat. Bund, Länder, Gemeinden und
       Sozialkassen nahmen nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr
       ein als sie ausgaben. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das
       Plus bei 1,2 Prozent.
       
       Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und
       Konjunkturforschung (IMK), Gustav A. Horn, warnte trotz des großen
       Überschusses vor Steuersenkungen. „Es gilt, die richtigen Prioritäten zu
       setzen“, sagte er den Ruhr Nachrichten (Donnerstag). „Bund und Kommunen
       investieren zu wenig. Wir verschleißen mehr als wir erneuern. Die
       sinnvollste Verwendung der Überschüsse wären mehr Investitionen. Das würde
       unsere Produktivkraft erhöhen und käme der Konjunktur viel stärker zugute
       als Steuersenkungen.“
       
       Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) forderte die Bundesregierung
       zum Umsteuern in ihrer Ausgabenpolitik auf. „Die Haushaltspolitik des
       Bundesfinanzministers ist mir viel zu defensiv“, sagte der Vorsitzende der
       Ministerpräsidentenkonferenz der NOZ. In Zeiten niedriger Zinsen müsse
       Minister Wolfgang Schäuble (CDU) mehr Gewicht auf Wachstum und nachhaltige
       Investitionen legen. „Das heißt ganz konkret mehr Geld für Bildung,
       Forschung und Infrastruktur.“
       
       Ein Sprecher des Finanzministeriums hatte zu den neuen Zahlen erklärt, der
       Überschuss sei auf eine „solide Haushaltspolitik“ zurückzuführen.
       Allerdings könne man aus dem Halbjahresergebnis nicht schon auf das ganze
       Jahr 2016 schließen.
       
       25 Aug 2016
       
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