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       # taz.de -- Berliner Szenen: Tiefenpsychologie
       
       > Rasensklave
       
       Es war auf einem Sommerfest am Badesee. Ich war gerade auf der Suche nach
       dem Klohäuschen, da kam mir das Ding in den Blick. Es sah aus wie eine
       Kreuzung aus einer Riesenschabe und einem Batmobil. Ich rappelte mich hoch
       und blickte auf das Plakat, das meterhoch über mir hing. „Rasensklave“
       stand da. Ein Mähroboter.
       
       Mich wehte eine gewisse kleinbürgerliche Sehnsucht nach vertikalen,
       feudalen Strukturen an, die Lust am Unterdrücken. Ich musste mich erst mal
       schütteln. „Ihr Rasen, Ihr Aushängeschild – der erste Eindruck ist
       grundsätzlich ausschlaggebend für menschliche und geschäftliche
       Beziehungen“.
       
       Rasensklave: eine Bohrung in die deutsche Tiefenpsychologie. Ich dachte an
       Julie, die neulich bei uns einen Schlüssel abgeholt und dann die halbe
       Nacht mit uns Sliwowitz getrunken hatte. Ich hatte ihr unsere Wohnung
       gezeigt, mein Zimmer, das wir aus der ehemaligen Küche gebaut hatten und
       meine schöne Kammer, in der ich meine Kleidung und meinen Bürokram
       aufbewahre. Ich zeigte auf mein Schlafzimmer. „This was the kitchen
       before“, sagte ich zu Julie. Sie ist Amerikanerin. „And this“ – ich zeigte
       auf die Kammer – „was the very small room for the girl … you know the girl
       who took care of the household.“ Julie nickte. „The slave“, sagte sie.
       Stille.
       
       Vielleicht habe ich schockiert geschaut, zumindest schob Julie hinterher:
       „Ah, no: the servant.“ Ich nickte. Bei dem Sommerfest am See dann sah ich
       später Kindern zu, wie sie Wasserpflanzen aus dem Wasser zogen;
       beeindruckende Mengen von Algen holten sie da raus, die fleißigen
       Kinderlein. Sie schichteten die grünen Fasern zu Burgen auf, wie
       riesenhafte Perücken ruhten sie am Strand. „Schlingblumen“, sagte mein
       Sohn trocken und verzog die Nase. Wir holten uns noch eine Zuckerwatte.
       Jana Petersen
       
       8 Sep 2016
       
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