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       # taz.de -- Abgeordnetenhaus: Das kann ja heiter werden
       
       > In der letzten Plenarsitzung vor der Wahl am 18. September wirkt die
       > mögliche künftige rot-rot-grüne Regierungskoalition alles andere als
       > harmonisch
       
   IMG Bild: Sie sind sich schon längst nicht mehr grün, aber auch die künftigen rot-rot-grünen Partner zoffen sich
       
       Wenn es so weitergeht, gibt es gleich ein Déjà-vue. Oder besser: -ecouté.
       Michael Müller, Regierungschef und SPD-Spitzenkandidat, ist nämlich
       merklich angezickt, wie ihm die, die demnächst mit ihm regieren wollen,
       seine Erfolge madig machen. Es ist die letzte Parlamentssitzung vor der
       Abgeordnetenhauswahl, und genauso wie schon vor fünf Jahren nörgeln vor
       allem die Grünen an der SPD herum. Damals war es Müller-Vorgänger Klaus
       Wowereit schließlich zu viel. „Dann bleibt ihr schon gebügelter Anzug eben
       im Schrank“, hielt er dem damaligen Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann
       entgegen, der sich schon für einen Senatorenposten warmlief.
       
       So weit kommt es dann doch nicht an diesem Donnerstagvormittag. Müller ist
       trotzdem sauer, dass Grüne und Linke „offenbar ins Scheitern verliebt sind“
       und so täten, „als ob Berlin auf dem letzten Loch pfeift“. Und er vermisst
       vor allem bei Grünen-Spitzenkandidatin Ramona Pop das, was er
       „gesamtstädtische Sicht“ nennt. Das macht er fest an Pops Forderung, keinen
       zusätzlichen Euro mehr in die Schönefelder Flughafen-Baustelle zu stecken.
       
       ## Kritik an Pops Position
       
       Interessanterweise lobt Müller dabei den CDU-Fraktionschef Florian Graf,
       der zuvor die Grüne kritisierte. „Es war wunderbar, wie Herr Graf auf das
       reagiert hat, was Sie zum BER gesagt haben“, meint Müller. Der CDU-Mann
       hatte Richtung Pop gesagt: „Tempelhof haben Sie geschlossen, Tegel wollen
       Sie schließen und den BER offenbar nicht weiterbauen – ja, wo soll den dann
       geflogen werden?“ Pops Position ist aus Müllers Sicht unverantwortlich und
       Klientelpolitik. Und Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer bekommt wegen
       angeblicher Senator-Ambitionen zu hören: „Das ist nicht Demut und Respekt,
       das sind Machtspielchen.“
       
       Bevor nun aber zu sehr der Verdacht aufkommen kann, Müller könnte ganz im
       Stile Wowereits künftige Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken
       genervt abbrechen und mit der CDU weiterreden, geht der Regierungschef auf
       Distanz. Allerdings auch nicht zur CDU an und für sich inklusive des netten
       Herrn Graf. Sondern bloß konkret zu ihrem Landesvorsitzenden und
       Spitzenkandidaten, dem Innensenator Frank Henkel. Der hat für Müller mit
       seinem Ruf nach einem Burka-Verbot eine ganze Gruppe unter Generalverdacht
       gestellt. „Man kann Berlin nicht mit dem Sheriff-Stern regieren“, sagt
       Müller und ergänzt, weil Henkel nur Vize-Regierungschef ist, „egal, ob als
       Sheriff oder Hilfssheriff.
       
       Müller will aber auch klar machen: „Für mich ist die Burka ein schlimmer
       Ausdruck der Diskriminierung der Frau. Sie nimmt der Frau jede
       Individualität und Möglichkeit, ihre Persönlichkeit zu entfalten.“
       
       Wieder zurück in der konkreten Landespolitik und vor dem Hintergrund großer
       Erwartungen in roten und grünen Milieus an ein gemeinsames Projekt
       formuliert Müller: „Wir haben die Aufgabe, das soziale Berlin zu
       organisieren – jenseits von Einzelinteressen.“ Politik für die ganze Stadt
       verspricht er, einen Kompromiss zwischen den Milieus strebt er an. Vom
       Anzug, der bei zu vielen Forderungen im Schrank bleiben könnte, spricht
       Müller bis zum Schluss nicht. Er hätte auch variieren müssen: Ramona Pop
       trägt nämlich lieber Kleider.
       
       8 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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