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       # taz.de -- Müllberg nahe Wohngebiet in Delitzsch: Und niemand fühlt sich verantwortlich
       
       > 40.000 Tonnen Asche und Schlacke lagern im sächsischen Delitzsch in der
       > Nähe zu Wohnhäusern. Proben weisen auf eine Kontaminierung hin.
       
   IMG Bild: Alles in Reih und Glied: Freiburg. In Delitzsch sieht das anders aus
       
       Dresden taz | Was haben Grüne und Umweltschützer gegen ein
       Biomassekraftwerk? Im Prinzip wenig – wenn die entstehenden Abfälle
       ordnungsgemäß gelagert und entsorgt werden. Doch im nördlich von Leipzig
       gelegenen Delitzsch ist das offenbar nicht der Fall, das örtliche Kraftwerk
       sorgt mit Nachrichten von Umweltsauereien immer wieder für Ärger.
       
       Nun haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Landtagsfraktion der
       sächsischen Bündnisgrünen erneut die ordnungswidrige Lagerung von
       mindestens 40.000 Tonnen Filterasche und Kesselschlacke unter freiem Himmel
       und in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet angeprangert. Entnommene
       Proben weisen außerdem auf eine Kontaminierung des Abfallbergs hin.
       
       In dem Kraftwerk werden jährlich etwa 140.000 Tonnen Festbrennstoffe und
       Althölzer verbrannt. In der kurzen Betriebszeit seit 2003 wechselte nach
       Insolvenzen bereits dreimal der Besitzer. Auch der aktuelle, die Knock on
       Wood GmbH, geriet in Schieflage. Gegen den zweiten Betreiber Goaz Energy
       GmbH und die Knock on Wood GmbH laufen bei der Staatsanwaltschaft Leipzig
       mehrere Verfahren wegen Insolvenzverschleppung und Umweltdelikten.
       
       Probleme mit der Einhaltung von Umweltschutzbestimmungen gab es in
       Delitzsch von Anfang an. Doch ein Verlangen des Landratsamts, den
       Schlackeberg bis Oktober 2014 zu beräumen, wurde zum Beispiel vom damaligen
       Betreiber schlichtweg ignoriert. Zu einer entsprechenden Anfrage äußerte
       sich die Goaz nicht.
       
       Bürger, die Proben des Abfallbergs durch ein akkreditiertes Analyselabor
       untersuchen ließen, stellten erhebliche Grenzwertüberschreitungen beim
       Gehalt an Blei und Cadmium fest. Der Bürgerverein „Sauberes Delitzsch“
       stellte Anfang 2016 sogar Strafanzeige gegen die Betreiber und die
       Aufsichtsbehörde, das Landratsamt Nordsachsen.
       
       ## Kritik von Umweltschützern
       
       DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kritisiert auch die sächsischen
       Behörden. Den Müllberg habe vom Landratsamt „keiner sehen wollen“. Das
       sächsische Umweltministerium gibt an, dass die Halde wegen eines
       vermeintlich dichten Untergrunds keine Gefahr darstelle. Die Umweltschützer
       zweifeln auch eine Untersuchung an, die der Insolvenzverwalter des früheren
       Betreibers Goaz bei der Firma Stork Umwelt GmbH in Auftrag gegeben hatte.
       Diese stehe Goaz nahe. Es überrasche deshalb nicht, dass das Gutachten die
       Halde für unbedenklich hält.
       
       Die DUH verlangt daher vom Landratsamt, einen Untersuchungsauftrag an ein
       unabhängiges und neutrales Prüflabor zu vergeben. Eine Analyse müsse den
       Kriterien der Bundesbodenschutzverordnung genügen. Auf Nachfragen dazu
       antwortete das Landratsamt Nordsachsen nicht.
       
       Der Delitzscher Oberbürgermeister Manfred Wilde forderte vom Landratsamt
       mehrfach vergeblich eine unabhängige Probenentnahme auf dem
       Kraftwerksgelände. Nachdem schon 2015 der staatliche Braunkohlesanierer
       LMBV an einem vorbeifließenden Graben erhöhte Zink- und Cadmiumwerte
       gemessen hatten, wurden solche Prüfungen in diesem Juli durch den eigenen
       Abwasserzweckverband bestätigt.
       
       Derzeit ist das Biomassekraftwerk wegen einer Revision abgeschaltet. „Nur
       wenn technisch massiv nachgerüstet wird und das Schlackeproblem gelöst ist,
       kann das Kraftwerk wieder den Betrieb aufnehmen“, verlangt Volkmar
       Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Landtagsfraktion Sachsen.
       
       Damit wird aber derzeit nicht gerechnet. Grüne und DUH verlangen deshalb
       die Festsetzung von Sicherheitsleistungen durch das Landratsamt, um bei
       einer Stilllegung die Altlastenentsorgung zu gewährleisten. Eine solche
       sofortige Stilllegung verlangen die Kritiker, wenn der neue Betreiber den
       Auflagen und Nachsorgepflichten nicht nachkommen sollte. Die Vorgänge im
       Kraftwerk bedürften der Aufklärung – auch im Hinblick auf die Arbeit des
       Umweltamts im Kreis Nordsachsen.
       
       12 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
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