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       # taz.de -- Rebellisches südchinesisches Dorf Wukan: Neue Gewalt im Freiheitsdorf
       
       > Zuerst protestierten sie gegen die Verhaftung ihres frei gewählten
       > Dorfvorstehers. Nun gehen Behörden mit Razzien gegen die Bewohner vor.
       
   IMG Bild: 20. Juni 2016: Bewohner Wukans bei einer Solidaritätskundgebung für ihren wegen eines Korruptionsvorwurfes verhafteten Dorfvorsteher, den sie selbst demokratisch gewählt hatten
       
       PEKING taz | Wukan kommt nicht zur Ruhe. Das zehntausend Einwohner zählende
       Fischerdorf in der südchinesischen Provinz Guangdong war vor fast fünf
       Jahren weltweit in den Schlagzeilen, weil sich die Bewohner gegen den
       Landraub korrupter Kader der Kreisstadt Lufeng zur Wehr setzten.
       
       Die Bewohner vertrieben nicht nur den lokalen Parteichef und wählten ihr
       eigenes Verwaltungskomitee. Sie schafften es sogar, der Provinzregierung
       die freie Wahl ihres Vorstehers abzuringen. Wukan war damit Chinas einziges
       Dorf, in dem erstmals seit Gründung der Volksrepublik freie Wahlen
       stattfinden konnten.
       
       Doch seit letzter Woche sitzt der frei gewählte Dorfvorsteher Lin Zuluan
       wegen angeblicher Bestechlichkeit im Gefängnis. Und jetzt gehen die
       Sicherheitskräfte auch wieder mit Gewalt gegen die Dorfbewohner vor.
       
       In der Nacht zu Dienstag haben Augenzeugenberichten zufolge über hundert
       Polizisten mehrere Dutzend Häuser in Wukan durchsucht. Sie seien gegen 3
       Uhr morgens gewaltsam in Häuser eingedrungen. Im Internet kursierende
       Videos zeigen Sicherheitskräfte, die auf einen Dorfbewohner einschlagen.
       
       ## Mindestens zwölf Festnahmen
       
       Ein anderes Video zeigt, wie Dorfbewohner sich zur Wehr setzen und
       Polizisten mit Flaschen und Steinen bewerfen. Die Sicherheitskräfte setzten
       Tränengas und Gummigeschosse ein. Laut der South China Morning Post aus
       Hongkong gab es mindestens zwölf Festnahmen. Am Dienstag war Wukan komplett
       abgeriegelt.
       
       Guangdongs Regierung begründet ihr Vorgehen damit, dass Dorfbewohner
       gewaltsame Proteste vorbereitet hätten. Die Stadtverwaltung von Lufeng
       erklärte: Die Dorfbewohner würden „laufend Gerüchte verbreiten“, Mitbürger
       zum Protest anstacheln und sie von der Arbeit abhalten.
       
       „Lokalregierung und Polizei haben sie geduldig gewarnt und sie belehrt“,
       heißt es weiter. Doch die Bewohner würden Gesetze ignorieren. „Um die
       Allgemeinheit zu schützen und zu einem ordentlichen Leben im Dorf
       zurückzukehren, ist die Polizei eingeschritten.“
       
       Tatsächlich sind die Dorfbewohner bereits letztes Wochenende zu Hunderten
       auf die Straße gegangen, um gegen die Verurteilung ihres frei gewählten
       Dorfvorstehers Lin zu protestieren.
       
       ## Drei Jahre Haft für Dorfvorsteher plus saftige Geldstrafe
       
       Er wurde am 8. September zu drei Jahren Haft und umgerechnet 50.000 Euro
       verurteilt. Laut Gericht ließ er sich bestechen. Lin hatte im Fernsehen ein
       öffentliches Geständnis abgelegt.
       
       Die meisten Dorfbewohner glauben dem jedoch nicht. Sie vermuten, dass die
       Oberen der Kreisstadt Lufeng Lin loswerden wollen. Er hatte nach seiner
       Wahl zum Dorfvorsteher 2012 ein Bauprojekt gestoppt, gegen das die
       Dorfbewohner 2011 auf die Straße gegangen waren.
       
       Nach Erlaubnis der Lokalbehörden hatte der Bauherr die Arbeiten schon vor
       einer Weile wieder aufgenommen. Seitdem protestieren die Dorfbewohner
       wieder. Und Lin unterstützte sie dabei.
       
       13 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Lee
       
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