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       # taz.de -- Schwere Vorwürfe gegen den BND: Am Gesetz vorbeigespäht
       
       > Die Geheimdienst-Affäre war schon fast vergessen. Nun kritisiert
       > ausgerechnet die oberste Datenschützerin der Regierung den BND scharf.
       
   IMG Bild: Eindeutige Kritik: Andrea Voßhoff
       
       FREIBURG taz | Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) hat
       die globale Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) massiv
       beanstandet. Dies geht aus einem bisher geheimen 60-seitigen Bericht
       hervor, [1][den netzpolitik.org jetzt veröffentlichte].
       
       Die Erstellung des Berichts wurde durch die Enthüllungen von Edward Snowden
       über die Zusammenarbeit des US-Geheimdienstes NSA mit dem deutschen BND
       angestoßen. Voßhoffs Vorgänger Peter Schaar kontrollierte damals die
       BND-Außenstelle Bad Aibling, die früher von der NSA geführt wurde. Er
       erstellte einen Sachstandsbericht, den Voßhoff nun rechtlich bewertete.
       
       Daraus ergibt sich, dass der BND mehrmals täglich von der NSA sogenannte
       Selektoren bezieht, mit denen er internationale Datenströme filtert.
       Selektoren können Begriffe und Namen sein, überwiegend sind es aber
       Telefonnummern, Emailadressen und ähnliches.
       
       Voßhoff rügt, dass der BND diese „personenbezogenen“ Daten ohne jede
       Erforderlichkeitsprüfung nutzt. Er könne auch gar keine Prüfung vornehmen,
       da er die NSA-Selektoren ohne Hintergrundinformationen erhält.
       
       Auch die automatische Übermittlung aller Treffer an die NSA wertete Voßhoff
       als Datenschutz-Verstoß. Nur nach einer Einzelfallprüfung könnten sensible
       Daten an andere Nachrichtendienste weitergegeben werden. Zudem habe die
       Aussortierung von Deutschen vor der Übermittlung nicht richtig
       funktioniert. Das entsprechende Werkzeug DAFIS habe „systemische Defizite“.
       
       ## „Mittelbar nachrichtendienstlich relevante Personen“
       
       Die Selektoren und die daraus folgenden Treffer werden beim BND auch in
       Dateien gespeichert, für die jedoch keine „Dateianordnung“ bestand.
       Insgesamt waren sieben Dateien mit teilweise gewaltigen Datenmengen
       betroffen. Dadurch habe der BND das BND-Gesetz verletzt.
       
       Konkret führte der Verzicht auf Dateinanordnungen dazu, dass weder das
       Kanzleramt der Einrichtung der Dateien zustimmte noch die
       Datenschutzbeauftragte eingebunden war. Die Daten müssten deshalb alle
       gelöscht werden.
       
       Die Metadaten (insbesondere Verbindungsdaten), die der BND weltweit
       erfasste, wurden insgesamt neunzig Tage lang gespeichert und ausgewertet.
       Dabei ging es insbesondere um Datenströme, die via Satellit in Afghanistan
       erfasst wurden (Codename ZABBO).
       
       Außerdem wurden in einem „außereuropäischen“ Staat mit Hilfe eines fremden
       Dienstes auch Kabel-Kommunikationen abgegriffen (Codename SMARAGD). Die
       Auswertung erfolgte in der Datei VERAS (Verkehrs-Analyse-System).
       
       Voßhoff beanstandete, dass dabei überwiegend Daten von Unbescholtenen und
       Unbeteiligten gespeichert werden. Auch bei der Auswertung dieses
       Big-Data-Pools werde nicht nur nach Gefährdern gesucht, sondern auch nach
       Personen, die über beliebig viele Kontakte zu diesen in Beziehung stehen.
       
       Die Bezeichnung solcher Personen als „mittelbar nachrichtendienstlich
       relevante Personen“ stelle einen weiteren „rechtswidrigen
       Grundrechtseingriff“ dar, so Voßhoff, zumal bloße „Sozialkontakte“ keine
       Speicherung erlauben.
       
       ## Eine Zielpersonen, 15 weitere Personen erfasst
       
       Das berüchtigte NSA-Programm XKeyscore nutze der BND zur
       Nachrichtengewinnung im globalen Internet und zur Nachrichtenverarbeitung.
       Auch hier würden „unbescholtene Personen“ in großem Ausmaß erfasst.
       
       In einem konkreten Fall, den Voßhoff recherchiert hatte, waren zu einer
       Zielperson noch 15 sonstige Personen erfasst, deren Daten der BND
       „unstreitig“ nicht benötige.
       
       Der BND hatte sich generell auf den Standpunkt gestellt, dass für die im
       Ausland gewonnenen Daten deutsches Recht nicht gelte und Voßhoff für die
       Kontrolle der Daten nicht zuständig sei.
       
       Dem widersprach die Datenschützerin jedoch. Da die Daten in Deutschland
       gespeichert und bearbeitet werden, sei auch deutsches Recht anwendbar.
       
       ## Große Datenmengen sollen gelöscht worden sein
       
       An mehreren Punkten beschwerte sich Voßhoff, dass der BND ihre Kontrollen
       behindert habe. So habe ihr der BND eine Kontrolle der NSA-Selektoren
       verwehrt und damit seine „Unterstützungspflicht“ verletzt.
       
       Außerdem wurden während ihrer Kontrolle ohne Genehmigung große Datenmengen
       gelöscht. Angeblich hatte der BND „Kapazitätsengpässe“ bei seinen
       Speichermedien. Für viele Dateien lag keine Protokollierung vor, so dass
       nicht nachvollzogen werden konnte, was der BND mit den Daten gemacht hat.
       Der BND und das Kanzleramt lehnen die vom Voßhoff geforderte
       Vollprotokollierung ab, da sie „unangemessenen Aufwand“ erfordere.
       
       Oppositionspolitiker kritisierten den BND umgehend. Konstantin von Notz
       (Grüne) forderte, der BND müsse sich von der Massenüberwachung
       verabschieden und auf den Kreis der Verdächtigen konzentrieren. Auch die
       Linken-Geheimdienstexpertin Martina Renner sprach von „erschreckenden
       Befunden“. Die große Koalition hat allerdings bereits [2][einen
       Gesetzentwurf] vorgelegt, der die bisher rechtswidrigen BND-Praktiken
       legalisieren soll.
       
       2 Sep 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://netzpolitik.org/2016/geheimer-pruefbericht-der-bnd-bricht-dutzendfach-gesetz-und-verfassung-allein-in-bad-aibling/#Sachstandsbericht
   DIR [2] /Mehr-Rechte-fuer-den-BND/!5317854/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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