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       # taz.de -- Dokumentarfilm über Nick Cave: Schreckliche Gefühle
       
       > Nick Cave hautnah: Der Sänger von „The Bad Seeds“ erklärt das neue Album
       > mit Hilfe eines Films. Trauriger Anlass ist der Unfalltod seines Sohns.
       
   IMG Bild: Den Tod seines Sohnes verarbeitet Cave in dem Film „One More Time With Feeling“
       
       Was ist, fragt Nick Cave im Film „One More Time With Feeling“, wenn etwas
       so Schreckliches passiert, dass man plötzlich jemand anderes wird?
       Beantworten kann der Australier diese Frage vorerst nicht, er bleibt stumm.
       Cave befand sich bei mitten in den Aufnahmen zu „Skeleton Tree“, dem
       aktuellen Studioalbum mit seiner Band The Bad Seeds, als ihn der schlimmste
       Moment seines Lebens ereilte: die Nachricht vom Tod seines 15-jährigen
       Sohns Arthur, der im LSD-Rausch von einer Klippe stürzte.
       
       Cave bat daraufhin den Regisseur Andrew Dominik, während der Aufnahmen von
       „Skeleton Tree“ einen Dokumentarfilm zu drehen, der das Album an seiner
       statt erklären sollte. Niemandem wurde ein Interview mit Cave gewährt: eine
       bewährte Strategie einerseits, um Aufmerksamkeit zu generieren – der
       legitime Wunsch eines Trauernden, der in Frieden gelassen werden will,
       andererseits. Am Donnerstag feierte „One More Time With Feeling“, gedreht
       mit einer 3-D-Kamera und hauptsächlich in Schwarzweiß, Weltpremiere.
       
       Der Film zeigt einen Mann, der sich neu justieren muss. Cave fährt durch
       die Stadt, Cave trinkt einen Kaffee. Cave fragt sich, wo die Ringe unter
       seinen Augen herkommen. Will man wissen, wie es ihm geht, so wäre die
       Antwort, die aus diesen Bildern spricht: Muss ja.
       
       Doch dann beginnen die Aufnahmen zu „Jesus Alone“, der vorab
       veröffentlichen Single, in der bereits zu stecken scheint, was die letzten
       Monate für Cave bedeutet haben: die wabernde Schwärze, der Abgrund, in den
       der Tod des Kindes – im Film nie direkt thematisiert – ihn riss, aber auch
       sein Lebenswillen. Es sind mitreißende Bilder, in denen Dominik die
       Sessions festgehalten hat, gleich den Songs des Albums mal leise und
       konzentriert, mal soghaft.
       
       Und doch fragt man sich, wie nah man Cave, dem Meister der Abgründigkeit,
       der die Totengräberpose im Laufe seiner Karriere perfektioniert hat,
       wirklich kommt. „Don’t touch me“ singt Cave in „Girl In Amber“, das wie ein
       verhallter Ruf aus der Zwischenwelt klingt. Nur kurz verlässt Cave seine
       Rolle und wirkt schutzlos wie das titelgebende Baumskelett.
       
       In einer der intimsten Szenen hält Caves Frau Susie, an einem Tisch
       stehend, eine gerahmte Zeichnung ihres Sohnes in die Kamera. Als sie sich
       neben Cave setzt, nimmt er ihr das Bild aus der Hand und stellt es ganz
       behutsam auf dem Boden ab. Der Platz neben ihm und seiner Frau bleibt leer.
       
       9 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Lorenz
       
       ## TAGS
       
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