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       # taz.de -- Angela Merkels Flüchtlingspolitik: Rechter geht’s nicht
       
       > Die CSU fordert, Merkel möge ihren Worten Taten folgen lassen und
       > Seehofer entgegenkommen. Dabei spricht die Kanzlerin schon längst
       > Bayerisch.
       
   IMG Bild: Warum all die Hysterie um Merkel und die Flüchtlinge? Die Grenzen sind doch längst dicht
       
       Andreas Scheuer hat sich geoutet. „Entschuldigen S' die Sprache, das
       Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über
       drei Jahre da ist – weil den wirst Du nie wieder abschieben. [1][Aber für
       den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist
       Wirtschaftsflüchtling.]“ Scheuer, Generalsekretär der CSU und Rassist,
       kritisiert Angela Merkel „von rechts“. Das ist derzeit en vogue – und
       ungeheuer merkwürdig. Die CDU-Kanzlerin wird für eine humane Asylpolitik
       angegangen, obwohl sie diese längst vollständig geopfert hat.
       
       Die CSU mosert besonders dumpf. „Deutschland soll Deutschland bleiben“,
       fordert sie in einem Papier, das nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern
       erstellt wurde. Die CDU-Chefin hat im Bundestag prompt versichert,
       Deutschland werde Deutschland bleiben. Aber das genügte Bayerns Philosophen
       nicht. Sie wollten am liebsten hören: „Wir schaffen das nicht“, besser
       noch: „Obergrenze, jetzt“. Letzteres hält Merkel für undenkbar. Und
       natürlich kann sie auch Ersteres nicht sagen. Die Kanzlerin muss
       schließlich Lösungen anbieten.
       
       Am Montag hat sie sich im Konrad-Adenauer-Haus aber, so interpretieren das
       viele Medien, vom „Wir schaffen das“ gelöst. [2][Indem sie sagte]: „Viel
       ist in diesen eigentlich alltagssprachlichen Satz hineininterpretiert, ja
       sogar hineingeheimnist worden. So viel, dass ich ihn inzwischen eigentlich
       am liebsten kaum noch wiederholen mag.“ Die CSU stänkert weiter,
       Finanzminister Markus Söder sagt: „Aber natürlich müssen den Worten Taten
       folgen.“
       
       Zur Erinnerung: Entschiedener als Angela Merkel hat in den letzten zwölf
       Monaten niemand Verschärfungen im Asylrecht durchgesetzt. Wenigstens weiß
       Horst Seehofer das. Dem Spiegel sagte er: „Angela Merkel und die CDU haben
       inzwischen eine Vielzahl unserer Forderungen übernommen.“ Warum wird im
       Süden die Anti-Flüchtlings-Keule dann trotzdem aufs Heftigste geschwungen?
       Auch das verrät der bayerische Ministerpräsident dem Spiegel: „Was wir
       jetzt noch brauchen, ist ein Regelwerk, eine Art Garantie, wie sich der
       Zustrom von Flüchtlingen künftig drastisch begrenzen lässt. Die
       Vergangenheit darf sich nicht wiederholen.“ Na gut, auch Seehofer lebt in
       einer Blase. Deshalb noch mal: Merkels Kurs könnte rigider nicht sein!
       
       ## Die sicheren Herkunftsländer
       
       Bereits im September 2015 macht sie den ersten Rückzieher: An der Grenze
       zwischen Bayern und Österreich werden Kontrollen eingeführt. Kurz darauf
       ist die Balkanroute dicht, im Januar werden Kosovo, Albanien und Montenegro
       auf die Liste der sicheren Herkunftsländer gesetzt. Alle Staaten des
       westlichen Balkans gelten somit als sicher, schutzbedürftige Menschen von
       dort haben kaum noch Chancen auf Asyl. Gleiches soll für Menschen aus
       Marokko, Tunesien und Algerien gelten. Eine entsprechende Entscheidung
       wurde aber aufgeschoben, da die Grünen das Vorhaben im Bundesrat
       blockierten.
       
       Auch werden Bargeldleistungen durch Sachleistungen ersetzt, der
       Familiennachzug massiv eingeschränkt, das Schnellverfahren mit extrem
       kurzen Fristen durchgesetzt. Vor Abschiebung sind demzufolge nur diejenigen
       geschützt, die das Eilverfahren erfolgreich durchgestanden haben. Dem
       Prozedere müssen sich alle unterziehen, die ohne Pass in Deutschland
       ankommen. Nach der Kölner Silvesternacht gilt: Kriminelle Ausländer können
       bei Straftaten schneller abgeschoben werden, egal wie hoch deren Strafe
       ist.
       
       Die von der CSU geforderte Obergrenze (maximal 200.000 Geflüchtete pro
       Jahr) unterbietet die CDU locker. Würde Merkel noch weiter nach rechts
       rücken, könnte sie direkt der AfD beitreten. Die lehnt Schutzsuchende
       bekanntlich ab – oder will sie erschießen lassen. Merkel kann das nicht,
       weil Artikel 16a des Grundgesetzes besagt: „Jeder hat das Recht, in anderen
       Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Hielte sich aber
       selbst die Kanzlerin nicht mehr an das Grundgesetz, wäre Deutschland in der
       Tat nicht mehr Deutschland.
       
       21 Sep 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.br.de/radio/bayern1/sendungen/mittags-in-niederbayern-und-der-oberpfalz/scheuer-senegalese-aussage-100.html
   DIR [2] /Kommentar-Merkels-Fehlereingestaendnis/!5337533/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Joram
       
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