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       # taz.de -- Die Wahrheit: Wilde Krieger im Norden
       
       > Neues aus Neuseeland: Wer zu den Maori im Norden der Inseln reisen will,
       > muss feststellen, dass auch Geografie Auslegungssache sein kann.
       
   IMG Bild: Bereit zur Abfahrt
       
       Der hohe Norden tief im Süden ist mein Ziel: Eine Reportage über Northland,
       den obersten Zipfel des Landes, wild und arm, fest in brauner Hand. Braun
       heißt bei uns nicht Pegida, sondern polynesisch. Dort oben soll ich
       Maori-Kultur inhalieren, bis mir das kai moana (Meeresgetier) zu den Ohren
       rauskommt und mir kia ora koutou (Hallo zusammen!) locker von der Zunge
       rollt.
       
       Was die Nordsee dem Friesen, ist Northland dem Maori. Ich war vor 15 Jahren
       mal als „willing worker on organic farms“ dort. Rupfte für Hippies Unkraut
       und durfte einen rudimentären Schweinestall zimmern. Ich bekam Öko- und
       Aussteigerleben mit, aber kaum Maori. Daher setze ich einen Aufruf auf
       Facebook: Wer hat dort Kontakte? Wo muss ich hin?
       
       Ich trete eine Lawine los. Wer hätte gedacht, wie wichtig es meinen
       Mit-Kiwis ist, dass ich als Pakeha (weiße Neuseeländerin) mit deutschem
       Migrationshintergrund authentisch erlebe, was die kriegerischen
       Erstbewohner dieses Landes ausmacht? Das wäre mir wohl kaum in der alten
       Heimat passiert, wenn ich dort nach Tipps für eine indigene
       Bayern-Rundreise gefragt hätte. Vielleicht hätte man mir Dachau empfohlen.
       
       „Erst mal musst du diese Flagge verstehen“, belehrt mich ein Freund
       (Pakeha) und postet die Unabhängigkeitsflagge der Maori. „Vergiss den
       Idioten“, kontert ein Kollege (Maori) und schiebt mir die Namen all jener
       Maori-Aktivisten zu, die bei den großen Protestmärschen in den achtziger
       Jahren dabei waren. Der Idiot mit der Flagge verwickelt mich in eine
       Diskussion mit seinen kämpferischen Freunden von der Mana-Partei. Sie alle
       wollen gehört werden.
       
       Einer von ihnen, Anaru, will das Versammlungshaus seines Stammes neu bauen.
       Könnte einen Besuch wert sein. „Wo ist denn Patetonga?“, frage ich. Laut
       Google Maps liegt es nicht in Northland, sondern 400 Kilometer südlicher,
       in der Waikato-Region. Anaru hört das nicht gern. „Patetonga ist die
       Südgrenze der Nordstämme? Du sprichst von Pakeha-Grenzen, das ist das
       Problem. Ich spreche von whakapapa.“ Er meint die Abstammung. „Willst du
       uns etwa sagen, wer wir sind?“
       
       Ich antworte, dass Patetonga laut Google nicht im Norden liegt. „Weißt du,
       was Patetonga heißt?“ Sein Ton klingt jetzt wie ein Bellen. „Ich dachte, es
       sei ein Ortsname“, erkläre ich und jage das Wort schnell durch den
       Online-Übersetzer. Kein Ergebnis. „Fuck Google!“, kommt es von Anaru
       zurück. „Wir sind durch Blut mit unserem Land verbunden. Ein Volk, egal was
       Google sagt! Wir sind das erste Kanu, das in Aotearoa ankam. Wir waren
       bereits hier!“
       
       Ich frage nochmals, ob sein Versammlungshaus in Northland liege, denn da
       müsse ich schließlich hin. Setze einen Smiley dahinter. Vergeblich. „Du
       folgst den Pakeha-Grenzen! Du weißt nicht, wer wir sind. Wag es nicht, mir
       zu sagen, wer wir sind!“ Es folgen „Fuck you and fuck off, bitch“, und noch
       ein F-Wort, das nicht maorisch übersetzbar ist. Jetzt arbeite ich mich mal
       durch die weiteren Tipps. Das Reisefieber steigt!
       
       22 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
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