URI: 
       # taz.de -- Kommentar Erbschaftsteuer: Die soziale Balance ist gefährdet
       
       > Für neue politische Bündnisse nach der Bundestagswahl lässt der
       > Kompromiss nichts Gutes erahnen: Begünstigt werden seit Jahren die
       > Reichen.
       
   IMG Bild: Ganz entspannt zurücklehnen. Für Erben von Millionenvermögen ändert sich wenig, pingelig ist der Staat eher bei kleinen Einkommen
       
       „Familienunternehmen“ klingt kuschelig. Man denkt an Betriebe, die
       handwerkliche Traditionen über Generationen fortführen. Doch der Begriff
       umfasst auch Konzerne wie Henkel oder Schaeffler, in denen persönliche
       Eigentümer eine große Rolle spielen.
       
       Deren Vertreter haben sich nun bei der Reform der Erbschaftsteuer
       durchgesetzt, die der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und
       Bundestag in der Nacht zum Mittwoch beschlossen hat. Firmen, die Hunderte
       Millionen oder gar Milliarden Euro wert sind, kann man auch künftig mit
       minimaler Steuerbelastung weiterreichen. Ja, es ist richtig: Wenn eine
       Firma vererbt wird, sollten die Arbeitsplätze erhalten bleiben und nicht
       einer zu hohen Erbschaftsteuer zum Opfer fallen.
       
       Das neue Gesetz mit Unterstützung von Union, SPD und Teilen der Grünen
       begünstigt jedoch weit größere Vermögen, als notwendig wäre, um dieses Ziel
       zu erreichen. Wenn ein beträchtlicher Teil privaten Reichtums steuerfrei
       bleibt, geht es offensichtlich nicht nur um Arbeitsplätze. Hier bringen die
       Firmenerben ihre Schäfchen ins Trockene.
       
       Dieser Kompromiss gefährdet die soziale Balance in Deutschland. Darin setzt
       sich die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte fort. Die steuerliche
       Belastung für hohe Einkünfte und Vermögen ist gesunken. Mittlerweile zahlen
       sehr reiche Privatleute in Deutschland weniger Steuern auf ihr
       angesammeltes Kapital als in vergleichbaren Industrieländern.
       
       ## Knausrig ist die Politik vor allem bei den Armen
       
       An der Spitze der Einkommens- und Vermögenspyramide gibt sich die Politik
       sehr zuvorkommend. Eher knauserig ist man dagegen, wenn es um die mittleren
       und unteren Schichten geht. Da müssen 2 Euro Kindergeld und 5 Euro
       Hartz-IV-Aufbesserung reichen.
       
       SPD und grüne Landespolitiker tragen das neue Erbschaftsteuergesetz nicht
       in jedem Detail, wohl aber grundsätzlich mit. Das ist ein schlechtes
       Vorzeichen für die kommenden Jahre. Denn nach der Zeit der Großen Koalition
       könnten neue Regierungsbündnisse und damit auch eine andere Steuerpolitik
       möglich sein. Vor allem die unteren Einkommen müsste man dann mehr fördern.
       
       Zu denken ist an niedrigere Sozialbeiträge und großzügigere staatliche
       Transfers. Zu bezahlen wäre diese aus höheren Steuern auf große Einkommen
       und Vermögen. Eine Chance dafür wurde nun verpasst.
       
       22 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
       ## TAGS
       
   DIR Steuer
   DIR Erbschaftsteuer
   DIR Soziale Gerechtigkeit
   DIR Umverteilung
   DIR Familienunternehmen
   DIR Cem Özdemir
   DIR Steuern
   DIR Schwerpunkt Armut
   DIR Erbschaftsteuer
   DIR Erbschaftsteuer
   DIR Grüne
   DIR Erbschaftsteuer
   DIR Erbschaftsteuer
   DIR Erbschaftsteuer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kurswechsel bei den Grünen: Kuschelparty für die Mitte
       
       Die Steuern für Spitzenverdiener sollen nicht steigen. So umwerben die
       Grünen ihre neue bürgerliche Klientel. Warum kriegt das bloß keiner mit?
       
   DIR Ökonom über höhere Steuern: „Polster für die nächste Krise anlegen“
       
       Der Staat kommt nicht mit weniger Geld aus, so Stefan Bach vom DIW. Er
       empfiehlt eine Entlastung der Mittelschicht – und höhere Steuern für
       Reiche.
       
   DIR Kommentar Privilegierung und Armut: Sozialer wird's nicht
       
       Von der Erbschaft- bis zur Grundsteuer: Die Bundesrepublik bleibt, was sie
       immer war – ein Staat für Überprivilegierte.
       
   DIR Vorstoß nach Erbschaftsteuerreform: Nahles gegen Kapitalanleger
       
       Der von der Politik gefeierte Kompromiss zur Erbschaftsteuer? Das Minimum,
       sagt Nahles und will nachbessern. Und die Abgeltungsteuer abschaffen.
       
   DIR Reform der Erbschaftsteuer: Da lacht der Juniorchef
       
       Ins neue Gesetz kommen ein paar Verschärfungen. Wer ein Unternehmen erbt,
       wird aber auch künftig ganz oder weitgehend von der Steuer befreit.
       
   DIR Umfrage Grünen-Basis: Sympathie für Umverteilung
       
       Mehr Geld für Schulen oder für Sozialtransfers? Die Grünen-Spitze hat jetzt
       die 60.000 Mitglieder befragt. Ergebnis: Die Basis will beides.
       
   DIR Reform der Erbschaftsteuer: Kurzer Brief aus Karlsruhe
       
       Die Politik kann sich nicht auf eine Reform der Erbschaftsteuer einigen.
       Nun macht das Verfassungsgericht Druck.
       
   DIR Vermögen und Erbe: Unfassbarer Reichtum
       
       Die Grünen streiten sich mal wieder über Steuerpolitik. Aber stoppen ihre
       Pläne das Auseinanderdriften von Arm und Reich? Eine Analyse.
       
   DIR Reform der Erbschaftsteuer: Wo Zufall und Willkür regieren
       
       Erben ist ungerecht. Das zeigt auch ein Blick in die Ideengeschichte.
       Schade nur, dass das die Große Koalition wenig interessiert.