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       # taz.de -- Polizeiübergriffe in Hamburg: Mit Rüstung ins Gefahrengebiet
       
       > Um Geflüchtete zu kontrollieren, belagerte die Polizei einen Hinterhof in
       > der Hafenstraße. Als Anwohner helfen wollten, rückte eine Hundertschaft
       > an.
       
   IMG Bild: Hatten Angst vor Wasser und Wurfgeschossen: PolizistInnen in der Hamburger Hafenstraße. Geflogen ist nichts
       
       Hamburg taz | In der Hafenstraße in Hamburg St. Pauli setzten PolizistInnen
       am Montag über neun Stunden lang rund 25 Geflüchtete in einem Hinterhof
       fest. Sie konnten nicht gehen, weil die Polizei von 14 Uhr bis spät in die
       Nacht vor dem Gartentor stand. Nur unter Angabe ihrer Personalien hätten
       die Afrikaner den Hof verlassen können.
       
       Gegen Abend versammelten sich NachbarInnen am Gartentor, um gegenüber der
       Polizei auf das Ende der Belagerung zu drängen. Die Refugees hatten sich
       seit Stunden nichts zu essen und trinken besorgen oder die Toilette
       aufsuchen können. Die NachbarInnen beschallten den Hof mit Musik und
       forderten ein Ende der seit Monaten andauernden „rassistischen Kontrollen“
       in der Hafenstraße durch die „Task Force Drogen“.
       
       Daraufhin verstärkte die Polizei ihre Präsenz und rückte mit einer
       Hundertschaft BereitschaftspolizistInnen an, die zum Teil mit
       schusssicheren Schilden ausgerüstet waren. Auch zwei Polizeihunde wurden
       eingesetzt und wachten knurrend vor dem Gartentor.
       
       So standen sich PolizistInnen und NachbarInnen mehrere Stunden lang
       gegenüber. Gegen Mitternacht räumte die Polizei den Platz teilweise, indem
       sie eine Gruppe von AnwohnerInnen unter Einsatz der Schilde und Androhung
       von Gewalt in Richtung der Landungsbrücken abdrängte. Einigen NachbarInnen
       war es zuvor jedoch gelungen, die Geflüchteten aus dem Garten zu schleusen,
       ohne dass diese kontrolliert wurden.
       
       Als Grund für den Großeinsatz gab die Polizei die „Bekämpfung der
       öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität“ an. Man habe „lageabhängige
       Kontrollen“ durchführen wollen. Polizeisprecher Timo Zill erklärte: „Jemand
       zeigt ein Verhalten, dass vielleicht geeignet ist, den Verdacht zu
       erwecken, dass er vielleicht mit Betäubungsmitteln handelt.“ Die
       Rechtsgrundlage zur Überprüfung sei das Gefahrengebiet (siehe Kasten).
       
       Die „vielleicht verdächtigten“ Personen hätten sich aber der Kontrolle
       entzogen, indem sie sich in den Garten begeben hätten, der ein
       Privatgrundstück ist und somit nicht ohne Weiteres von der Polizei betreten
       werden darf. Als gegen Abend die AnwohnerInnen hinzugekommen seien, sei die
       Stimmung immer polizeifeindlicher geworden. Daraufhin hätten die BeamtInnen
       die Versammlung aufgelöst.
       
       Der Bürgerschaftsabgeordnete der Linkspartei, Martin Dolzer, hatte vor Ort
       an den Einsatzleiter appelliert, eine deeskalierende Lösung zu finden.
       Dolzer bezeichnete den martialischen Polizeiauftritt als Machtdemonstration
       – schließlich sei allen klar, dass auf diese Art keine Probleme gelöst
       würden.
       
       Der Einsatzleiter deutete jedoch an, dass er eine Anweisung habe, den
       Einsatz durchzuziehen: „Herr Dolzer, ich kann nicht anders“, sagte er.
       
       Für die Anwältin Alexandra Wichmann, die mehrere MandantInnen aus der
       Hafenstraße vertritt, ist der Einsatz unverhältnismäßig und rechtswidrig:
       „Die von der Polizei bemühte Rechtsgrundlage zur verdachtsunabhängigen
       Personalienfeststellung kann eine Freiheitsbeschränkung von solcher Dauer
       nicht rechtfertigen“, sagte sie und kündigte an, eine
       Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die verantwortlichen BeamtInnen einzulegen.
       
       27 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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