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       # taz.de -- Family 5 mit neuem Album auf Tour: Schlösser am Geländer
       
       > Peter Hein giftet und die Bläser blasen dazu: Die Düsseldorfer Soulpunks
       > Family 5 gehen mit ihrem neuen Album „Was zählt“ auf Tournee.
       
   IMG Bild: Family 5: Peter Hein oben Mitte, Xao Seffcheque unten rechts
       
       Die Düsseldorfer Band Family 5 war eigentlich schon Geschichte. Ihr letztes
       reguläres Album „Wege zum Ruhm“ kam im Jahr 2004 heraus, ein Best-of-Album,
       „Hunde, wollt ihr ewig leben?“, erschien 2012. Zeit, Lebewohl zu sagen?
       „Ich war mir sicher, dass wir dann nur noch zusammentreffen, wenn die
       Kinder heiraten oder einer von uns stirbt“, gesteht Xaõ Seffcheque.
       
       Der 60-jährige Österreicher gründete Family 5 in Düsseldorf 1981 gemeinsam
       mit dem Sänger und Texter Peter Hein (Fehlfarben). Seffcheque spielte
       Gitarre und komponierte die meisten Songs. Ihr Debütalbum „Resistance“
       (1985) gilt wegen seines stilprägenden Punk-Soul-Mixes sowie der klugen,
       unverkrampften Texte als Meilenstein des deutschen Postpunk.
       
       Jetzt sind Family 5 urplötzlich wieder aufgetaucht. Unter dem Titel „Was
       zählt“ sind vor Kurzem 13 neue Songs auf einem Album erschienen. Die
       Initiative dazu kam von außen: Als Hein im Sommer 2015 Xaõ Seffcheque in
       dessen Haus in Italien besuchte, bekamen sie einen Anruf vom Hamburger
       Indie-Label Tapete. Ob man nicht Lust auf ein neues Werk habe.
       
       Die Idee wurde in Erwägung gezogen, auch die Bandmitglieder Markus Türk
       (Trompete), Martin Graeber (Saxofon) und Ferdi Mackenthun (Bass, einst KFC)
       waren einverstanden, und so fingen Family 5 mit dem neuen, 25-jährigen
       Schlagzeuger Simon Heinen wieder an, Songs zu komponieren.
       
       ## Sitar und Harfe
       
       Das Ergebnis dieser Reunion ist umwerfend geworden. Ein Stilwechsel wurde
       auf „Was zählt“ erwartungsgemäß nicht vollzogen, zu hören gibt es die
       erprobte treibende Einheit von Elementen aus Soul, Punk, Pubrock, Ska und
       Beat. Die Songs von Seffcheque und Türk besitzen eine hinreißende
       Lässigkeit und sind dennoch fetzig, vor allem durch den Einsatz der Bläser.
       Die Stücke klingen bisweilen fast roh, im guten Sinne unvollkommen.
       
       Es gibt weder störende Soli oder andere Sperenzchen, Produzent Ekki Maas
       warf jeglichen Ballast über Bord. Trotzdem setzt Seffcheque in seinen Songs
       überraschende Akzente, probiert Dinge aus, die bislang untypisch für die
       Band waren. So sind eine Sitar und eine Harfe zu hören, der großartige
       Rausschmeißer „Kalt“ ist eine klassische Hotelbarsäufer-Nummer.
       
       Auffällig ist der Gesang von Peter Hein – im Mix ganz vorne-, wodurch
       dessen brillante Texte zusätzliche Bedeutung gewinnen. Hein giftet, ätzt,
       schäumt – und analysiert auch mal mit kühlem Kopf. In wenigen Zeilen
       entwirft er ganze Welten- und Gedankengebäude. Egal, ob es um öffentliche
       Liebesbekundungen geht („Man traut sich kaum noch über Brücken / Weil die
       Scheißschlösser die Geländer platt drücken“) oder um Europas Abschottung
       („Unterwegs auf dem endlos grauen Band / Das Ziel selbst bestimmen wird
       Freiheit genannt / Aus jeder Karte wird ein Weg / Über jeden Fluss führt
       ein Steg / Doch plötzlich ist da Draht“).
       
       ## Schlager und Stadionrock
       
       In „Stolpere Nicht“, das knapp an Schlager und Stadionrock vorbeischrammt
       und vielleicht gerade deshalb so großartig ist, zeigt sich Hein
       ungewöhnlich einfühlsam, geradezu herzerwärmend: „Du darfst auch mal den
       Mut verlieren / Du darfst auch Peinliches riskieren / Du darfst dich wie du
       willst gebärden / Du darfst nur niemals wie jene werden / Stolpere nicht,
       stolpere nicht / Wohin dein Weg auch führt / Du bist nicht allein / Auch
       wenn du das manchmal meinst.“ Man möchte das erst viel zu vordergründig und
       direkt finden, kann sich dann aber der Wucht der Durchhaltebotschaft und
       der Komposition nicht erwehren.
       
       Nun geht es auf Tournee. „Ich hoffe, dass wir nicht vor komplett leeren
       Sälen spielen“, stapelt Xaõ Seffcheque tief und spielt darauf an, dass
       Family 5 zwar immer Lieblinge von Kritikern und Musikerkollegen waren, aber
       nie den großen kommerziellen Erfolg hatten. „Wäre schön, wenn sich ein paar
       Leute an uns erinnern und einige neue dazukommen, die sich uns komische
       Gestalten mal aus der Nähe angucken wollen. Ich rechne mit nichts, erwarte
       wenig und freue mich auf alles, was passiert. Und hoffe, dass wir die Tour
       gut überstehen. Wenn wir zusammen unterwegs sind, wird es immer exzessiv –
       und ab einem gewissen Alter verträgt man das ja nicht mehr so gut.“
       
       15 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Sakowitz
       
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