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       # taz.de -- Mieturteil Zigarettenkonsum: Tabakgestank oder Sauerkrautduft
       
       > Friedhelm Adolfs darf nicht gekündigt werden: In der fast vierjährigen
       > Justizsaga fällt das Urteil für Deutschlands berühmtesten Raucher.
       
   IMG Bild: Sehr lässig hält Herr Adolfs die Zigarrette. Er darf in seiner Wohnung bleiben
       
       Klar, erst mal hat sich der kleine, hagere Mann mit dem zauseligen, grauen
       Kinnbart draußen eine angesteckt nach dem großen Erfolg. Etwas zittrig hält
       der 78-Jährige Friedhelm Adolfs in seinem überdimensionierten grauen Anzug
       die Billigzigarette zwischen den angegilbten Fingernägeln. „Ich bin sehr
       froh, dass es vorbei ist“, sagt er in die vielen Kameras. Eine ältere Dame
       an seiner Seite – hochtoupierte Haare, dicke Modegoldkette, lachsfarbenes
       Mäntelchen – lächelt mild dazu.
       
       Eine Gewinner-Havanna hat ihm sein Anwalt Martin Lauppe-Assmann vorsorglich
       „extra aus Kuba mitgebracht“, wie er erläutert. Friedhelm Adolfs posiert
       für die Fotografen, lächelt, lässt wunschgemäß besonders viel Qualm ab. „Es
       ist eine sehr große Erleichterung.“ Pust, pust, paff. Adolfs hustet kurz.
       
       Minuten vorher hat als nunmehr 4. Instanz die 23. Berufungszivilkammer des
       Landgerichts Düsseldorf unter dem Vorsitzenden Richter Maurer die
       Räumungsklage von Adolfs Vermieterin abgewiesen: Man habe „umfänglich
       Beweis erhoben“, sagt er, unter anderem 13 Zeugen befragt, ob es im Haus
       des Mieters Adolfs wirklich so unerträglich stinke – und sich „kein
       eindeutiges Urteil machen können“, das eine Kündigung rechtfertige. Das
       Urteil stelle keinen Präzedenzfall darstelle, sondern „eine
       Einzelfallentscheidung“, sagt der Richter. In den gemieteten vier Wänden
       selbst dürfe ohnehin jeder rauchen.
       
       Dass es in Adolfs Parterre-Wohnung gegenüber dem alten Eisstadion an der
       Brehmstraße stinkt und teilweise auch im Flur, ist unstrittig. Nur, wie
       sehr? Und wirklich von Tabak? Wo beginnt Unzumutbarkeit? Nach Ansicht des
       Gerichts reiche das nicht, um Adolfs zum Auszug zu zwingen. (Az.: 23 S
       18/15).
       
       Adolfs Anwalt genießt den Triumph: Man müsse, so der „militante
       Nichtraucher“, halt „auch mal toleranter sein. Sonst klagt ein Vermieter
       jemanden demnächst raus, weil es im Treppenhaus nach Sauerkraut und
       Schweinebraten riecht.“
       
       ## Keine vollen Aschenbecher
       
       Während des Prozesses haben Zeugen beider Seiten ein völlig gegensätzliches
       Bild von der Geruchssituation in dem Mehrparteienhaus geliefert:
       Überquellende Aschenbecher – nein. Seit dem Krebstod seiner (ebenfalls
       rauchenden) Frau lüfte Adolfs kaum noch – nein, nein, unwahr. Das gaben
       Adolfs Stieftochter, die Stiefenkelin und Freunde zu Protokoll, von denen
       er einen auf einer Demonstration gegen das Nichtrauchergesetz kennengelernt
       hat. Es habe im Treppenhaus nicht nach Tabak gerochen, höchstens nach Öl,
       Moder und – Putzmitteln. Andere Zeugen nannten den Tabakqualm „widerlich,
       ekelerregend und jämmerlich stinkend“. Der Aufenthalt im Hausflur sei „wie
       Körperverletzung“. Noch kurz vor der Urteilsbegründung stellte gestern ein
       bekannter Handwerker von Adolphs klar: „Der lebt da völlig verwahrlost. Es
       stinkt dort überall unerträglich.“
       
       Das Gericht, so die Urteilsbegründung, habe sich „kein so klares Bild“
       machen können, dass „der Tabakgeruch im Treppenhaus ausschließlich dem
       Beklagten zugeordnet werden“ könne. Die Beeinträchtigungen durch
       Tabakgeruch seien folglich nicht nachweislich auf „vertragswidriges
       Verhalten des beklagten Rauchers Friedhelm A. zurückzuführen“. Somit,
       erklärte später eine Gerichtssprecherin, habe Adolfs „auch nicht gegen das
       Gebot der Rücksichtnahme verstoßen“.
       
       Eine Ortsbesichtigung hatte das Gericht, trotz vorheriger Empfehlung des
       Bundesgerichtshofs, überraschend nicht vorgenommen. Das sei nicht passiert,
       so der Vorsitzende Mauer gegenüber der taz, weil sich „die Situation seit
       dem Zeitpunkt der Klage geändert haben könnte“. Revision ließ das Gericht
       nicht zu. Die Verliererseite kann allerdings erneut den Bundesgerichtshof
       mit einer Nichtzulassungsbeschwerde anrufen.
       
       Mit dem Rauchen aufhören will Adolfs nach 63 Jahren und hochgerechnet rund
       einer dreiviertel Million Zigaretten jedenfalls nicht. „Was soll das
       bringen?“, fragt er. Stattdessen, teilt er überraschend mit, will er
       demnächst freiwillig umziehen. Er suche gerade mit seiner neuen
       Lebensgefährtin, der lachsfarbenen Dame, eine gemeinsame Wohnung. Ja, sagt
       Adolfs, sie rauche auch.
       
       28 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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