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       # taz.de -- England feuert Nationaltrainer Allardyce: Nur 67 Tage
       
       > Englands Nationaltrainer Sam Allardyce wird entlassen. Er ließ sich vor
       > versteckter Kamera auf ein windiges Geschäftsangebot ein.
       
   IMG Bild: Hat nun wieder Zeit, um seinen England-Schal hochzuhalten: Sam Allardyce
       
       Er war der erfolgreichste Trainer, den Englands Fußball-Nationalmannschaft
       je hatte. Unter Sam Allardyce hatte das Team kein einziges Gegentor
       kassiert. Allerdings war er auch der Trainer mit der kürzesten Amtszeit. In
       den 67 Tagen absolvierte England nur ein Spiel, das am 4. September mit 1:0
       gegen die Slowakei gewonnen wurde.
       
       Am Dienstagabend wurde Allardyce entlassen. Seine Geldgier war ihm zum
       Verhängnis geworden. Das Verhalten des 61-jährigen sei eines englischen
       Nationaltrainers nicht würdig, ließ der Verband verlauten. Allardyce war in
       eine Falle des Daily Telegraph getappt. Dessen Reporter hatten sich als
       ostasiatische Geschäftsleute ausgegeben und sich bei ihm erkundigt, wie man
       Transferregeln umgehen könne. Allardyce war gerne bereit, den
       vermeintlichen Geschäftsleuten Tipps zu geben.
       
       Der englische Verband hatte 2008 die sogenannten Dritteigentümer-Verträge
       verboten, der Weltverband Fifa zog 2015 nach. Bei solchen Verträgen sichern
       sich Investoren einen Anteil an künftigen Transfergeldern. Er kenne
       Spielerberater, die das Verbot „andauernd umgehen“, prahlte Allardyce. Das
       sei überhaupt kein Problem: „Man kann das immer noch umgehen. So macht man
       doch eindeutig das große Geld.“
       
       Und dann willigte er ein, für eine Gage von 400.000 Pfund vier Mal im Jahr
       nach Hongkong und Singapur zu fliegen, um Vorträge vor potenziellen
       Investoren zu halten.
       
       ## Schon einmal auf verdeckte Reporter reingefallen
       
       Allardyce begann seine Profi-Karriere als Verteidiger bei den Bolton
       Wanderers. Seine erste Station als Trainer war 1991 der irische Club
       Limerick. Zuletzt trainierte er den AFC Sunderland. Der englische Verband
       musste ihn für umgerechnet drei Millionen Euro aus dem Vertrag
       herauskaufen. Das sind rund 45.000 Euro für jeden der 67 Tage, in denen er
       im Amt war. U21-Coach Gareth Southgate übernimmt den Job für die kommenden
       Spiele gegen Malta und „Slowenien oder so ähnlich“, wie Allardyce
       geografisch überzeugend dargelegt hatte, bevor er entlassen wurde.
       
       Dabei hätte er allen Grund gehabt, misstrauisch zu sein, denn er ist vor
       fast genau zehn Jahren schon einmal Opfer von verdeckten Reportern
       geworden. Damals wurde ihm in der BBC-Sendung Panorama vorgeworfen, er habe
       sich von Spielervermittlern bestechen lassen, damit er seinen Verein
       überredete, bestimmte Spieler einzukaufen.
       
       Die Engländer haben traditionell wenig Glück mit ihren Nationaltrainern. Es
       fing mit Don Revie an, der 1974 ein Spiel seiner Mannschaft schwänzte, weil
       er heimlich nach Dubai geflogen war, um dort Trainer zu werden. Der Daily
       Mirror stellte später nach langwierigen Untersuchungen fest, dass Revie
       korrupt war und Spiele verkauft haben soll.
       
       ## Allerlei Nebengeschäfte
       
       Terry Venables, der 1994 Trainer wurde, verbrachte wegen zahlreicher Klagen
       gegen ihn mehr Zeit vor Gericht als auf dem Fußballplatz. Sven-Göran
       Eriksson veröffentlichte CDs und Computerspiele, während seine Mannschaft
       von Niederlage zu Niederlage eilte, und wurde schließlich von einem
       falschen Scheich – einem Reporter der News of the World – als käuflich
       geoutet. Fabio Capello nahm einen Nebenjob an der Londoner Börse an, ohne
       den Verband zu informieren.
       
       Roy Hodgson, der bis Dienstag letzte in der langen Reihe der peinlichen
       Trainer, hatte ebenfalls Nebeneinnahmen: Sein Sohn Christopher war Designer
       bei einer Schweizer Uhrmacherfirma, die eine „King-Power-66-Hodgson-Uhr“
       zur Erinnerung an den Weltmeistertitel von 1966 in begrenzter Auflage
       herstellte. Bei der WM 2014 schied England sang- und klanglos nach der
       Gruppenphase aus, bei der Europameisterschaft in diesem Jahr wurde das Team
       von Island aus dem Wettbewerb geworfen.
       
       Zum Schaden kam Spott hinzu. Jack Charlton, der mit England Weltmeister
       geworden war, sagte auf die Frage, wie die Mannschaft von 1966 gegen Island
       gespielt hätte: „Wir hätten 1:0 gewonnen.“ Der Journalist wunderte sich:
       „Nur 1:0?“ Charlton antwortete: „Nun ja, die meisten von uns sind über 70.“
       
       28 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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