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       # taz.de -- Kommentar 10 Jahre Wikileaks: Sensationsgeil und verkaufstüchtig
       
       > Der Wikileaks-Geburtstag hätte ein Grund zum Feiern sein können. Doch die
       > Seite ist zum Witz verkommen, wie sich am Beispiel der Türkei zeigt.
       
   IMG Bild: Gründer einer Plattform, der die Substanz abhandengekommen ist: Julian Assange am Dienstag per Video-Liveschaltung in Berlin
       
       Drei Tage nach dem Putschversuch in der Türkei, bei dem 290 Menschen
       getötet und über 2.000 verletzt wurden, feierten die Menschen auf den
       Straßen den Sieg der Demokratie. Für uns Journalisten dagegen war die Sache
       längst nicht so klar. Was passierte in jener Nacht? Wer steckte dahinter?
       Und: Wem war noch zu trauen?
       
       Da kam die Ankündigung von Wikileaks gerade recht: Über 100.000 Dokumente
       über die türkischen Machtstrukturen wolle man veröffentlichen. „Macht euch
       bereit zu kämpfen“, heißt es darin. Kämpfen? Warum eine solche Rhetorik in
       dieser angespannten Lage? Wir wunderten uns. Aber was wir am meisten
       suchten, waren Antworten.
       
       Wir setzten also all unsere Hoffnung in diese Veröffentlichung. Und wurden
       bitter enttäuscht. Die vermeintlichen Leaks entpuppten sich als Nebelkerze:
       Spam-Mails statt großer Enthüllungen, massenweise geleakte persönliche
       Daten. Mit dem Putsch hatten sie erst recht nichts zu tun. Offenbar hatte
       man schon eine ganze Weile auf diesen Dokumenten gesessen und nun eine gute
       Gelegenheit gesehen, sie medienwirksam zu veröffentlichen. Ohne Rücksicht
       darauf, welche Erwartungen geweckt würden.
       
       Wie konnte Wikileaks sich das anmaßen? Offenbar hat die Plattform das
       Bewusstsein dafür verloren, wofür sie einst gegründet wurde – und das in
       einem so bedeutungsvollen Moment. Wikileaks stand einst für eine neue Form
       der Recherche. An irgendeiner Stelle muss aber der Hype zu groß geworden
       sein.
       
       Dabei bräuchte die Plattform diese Sensationslust gar nicht, wenn sie
       wieder mehr Wert auf Substanz in ihren Veröffentlichungen legen würde. Sie
       darf sich nicht an der Aufregung messen lassen, die ihre Ankündigungen
       hervorrufen – sondern muss sich daran messen lassen, ob sie ihre
       Versprechen erfüllt.
       
       Wir türkischen Journalisten dürften nicht die Einzigen bleiben, die
       Wikileaks frustriert und desillusioniert. Die Pressekonferenz am Dienstag,
       bei der raunend weitere Veröffentlichungen über Hillary Clinton
       angekündigt, aber nicht geliefert wurden, spiegelt diese neue
       Verkaufskultur wider.
       
       Zehn Jahre Wikileaks hätten für uns eigentlich ein Grund zum Feiern sein
       können. Doch die Plattform ist zum Witz verkommen. Wenn ich an die
       politische Situation in meiner Heimat denke, kann ich darüber nicht lachen.
       
       (Übersetzung aus dem Englischen: Johanna Roth)
       
       5 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Celikkan Ali
   DIR Ali Çelikkan
       
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