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       # taz.de -- Die Wahrheit: Das Karma der Drohnen
       
       > Der Zufall einer Begegnung führt zu einer Konversation über Fußball und
       > Literatur, Kultur und Technik zweier schmutziger alter Säcke.
       
   IMG Bild: Wird wahnsinnig, wenn ihre Freundinnen bei einer WM blödes Zeug über Fußball reden: die Autorin Dagrun Hintze.
       
       Unschlagbar originell kreuzten sich unsere Pfade: Kollege Heuser hatte
       zusammen mit etwa 24.000 Zeitgenossen das Schwarzwaldstadion verlassen – SC
       Freiburg hatte gegen Eintracht Frankfurt 1:0 gewonnen –, ich kam grad aus
       der Bibliothek zurück. Vor mehr als zwanzig Jahren hätte es sich umgekehrt
       ergeben, ich Stadion, er Bibliothek, aber dies nur am Rande.
       
       Wir gehorchten dem Zufall der Begegnung, um nun im „Swamp“ ein Bier zu
       trinken, wohl wissend, dass es dort nach dem Spiel eng und laut, nein, sehr
       eng und sehr laut sein würde. Wunderbar, mit anderen Worten.
       
       Nach dem Austausch über Fußball oder Literatur – keine Ahnung, man konnte
       ja kaum ein Wort verstehen – verfiel Heuser, da wir unversehens hinten
       einen Tisch ergattert hatten, auf gleichsam herbstliche Impressionen.
       Manchmal sehe er sich, sagte Heuser, als den Typus des älteren Herrn, der
       sich wacker bemüht, den Anschluss zu halten zu den aktuellen Erscheinungen
       in Sachen Kultur und Technik, Netz und Kommunikation, der aber gerade
       dadurch bekundet, den Anschluss verloren zu haben.
       
       Gegen den Gram älterer Herren greife ich zurzeit auf den Schriftsteller
       Charles Bukowski zurück. Ich hatte neulich nachgeschaut, in welchem Alter
       der seinen Kolumnenband „Notes of a Dirty Old Man“ 1969 veröffentlicht
       hatte. Bukowski war da 49 gewesen! Oder hatte er den Titel etwa ironisch
       gemeint?
       
       Heuser fügte offenbar wahllose Beispiele hinzu, um seine vermeintliche
       Anschlussunfähigkeit zu illustrieren. So hatte ihm seine Tochter
       mitgeteilt, dass wir längst im Post-Internet-Zeitalter leben, weil das Netz
       völlig in den Alltag integriert ist, zu diesem keine Gegenwelt mehr bildet.
       Darüber wolle er nachdenken.
       
       Während ich dazu ansetzte, beinahe ernsthaft darauf hinzuweisen, dass sich
       nach wie vor eine zweidimensionale Welt von einer dreidimensionalen
       unterscheide, holte Heuser ein anderes Sujet aus dem Köcher. Er habe –
       „Moment, muss ich mein Notizbuch hinzuziehen“ – er habe von der
       Kamera-Drohne „GoPro Karma“ mit dem „Action-Cam Hero 5 Black“ gehört, ein
       „Quadcopter“, der bald erhältlich sein wird. Koste knapp 870 Euro.
       
       Ich sagte fürsorglich: „Hab ich jetzt nicht verstanden. Dich interessiert
       vorwiegend das Karma in dem Produktnamen? Also dieser hinduistische und
       buddhistische Begriff? Der für die Wirkungen jeder Handlung, jedes
       Gedankens, insbesondere die Rückwirkungen auf dich selbst steht? Oder geht
       es dir bei der Kamera-Drohne darum, die Brücke von Drohnen fürs Vergnügen
       zu den militärischen Drohnen zu schlagen? Das wusste Heuser noch nicht so
       genau. Und meinte dann, das müsse doch gar kein Entweder-oder sein, sondern
       dass beide Ansätze zu verfolgen seien.
       
       Endlich kam Chico, der Wirt, auf einen Gruß vorbei. Und später geriet
       Bukowski wieder in die Debatte. Zu der US-Wahl 1968 zwischen Nixon und
       Humphrey meinte er etwa, es gleiche einer Wahl zwischen kalter und
       aufgewärmter Scheiße. Ist länger her.
       
       5 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dietrich zur Nedden
       
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