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       # taz.de -- Kommentar Nobelpreis für Bob Dylan: Diese Auszeichnung ehrt die Literatur
       
       > Die schwedische Akademie hat für Bob Dylan keineswegs die Standards
       > gesenkt. Im Gegenteil: Sie zeigt ein zeitgemäßes Literaturverständnis.
       
   IMG Bild: Manche Romane brauchen 500 Seiten, um so viel auszudrücken wie Dylan in wenigen Zeilen
       
       Eine Überraschung? Ja, klar, und eine schöne dazu. Hatte man nicht sofort
       eine Dylan-Zeile im Kopf, als man von der Entscheidung hörte? Und hat man
       sich nicht auch über den Mut in Stockholm gefreut?
       
       Aber die Sensation, zu der sie jetzt gemacht wird, ist die Entscheidung für
       Bob Dylan nun auch wieder nicht. Die schwedische Akademie, die über den
       Nobelpreis bestimmt, hat keineswegs die literarischen Kriterien gesenkt
       oder die literarische Walhalla für, wie nun behauptet wird, allerlei
       populäres Zeug geöffnet. Im Gegenteil: Sie hat ein zeitgemäßes
       Literaturverständnis an den Tag gelegt. Denn was Dylan in den Schreibpausen
       seiner „Never Ending Tour“ in die Welt gesetzt hat, ist selbstverständlich
       Literatur, und zwar große. Was sollen diese weltberühmten Zeilen denn sonst
       sein? Bei aller Liebe für die Buchhändler und Verlegerinnen, die jetzt um
       ihre Buchumsätze trauern: Man muss schon einen arg ehrpusseligen
       Literaturbegriff haben, um Dylans Songtexten das Literarische abzusprechen.
       
       Man höre sich seine Balladen daraufhin noch einmal an. „It’s Alright, Ma
       (I’m Only Bleeding)“ zum Beispiel, mit der unfassbar großartigen Zeile: „He
       not busy being born is busy dying“ – ein Vers, in den man sich wieder und
       wieder versenken kann. Oder „Ballad Of A Thin Man“: „Something is happening
       and you don’t know what it is / Do you, Mr. Jones?“ So genau wurde die
       Einsicht, dass man sein eigenes Leben verpassen kann, selten gefasst. Es
       gibt Romane, die zum Erzählen so einer Erfahrung 500 Seiten brauchen.
       
       Man muss gar nicht – wie manche Literaturprofessoren das tun – all die
       Anspielungen auf die Bibel, die Ilias oder auch viele lyrische Traditionen
       in seinen Texten aufzählen, um ihn als Schriftsteller ernst zu nehmen. Man
       muss sich nur einmal überlegen, was Literatur kann und wozu sie da ist. Sie
       kann Geschichten erzählen, Erinnerungen heraufbeschwören und die Sprache
       zum Leuchten bringen. Das macht Bob Dylan seit über 50 Jahren. Und sie kann
       noch etwas: Sie kann uns Sprachbilder, Sätze, Wendungen an die Hand geben,
       mit denen wir uns unsere Innenwelten begreiflich machen können. In dieser
       Disziplin ist Bob Dylan ein großer Meister.
       
       Ohne ihn wäre die Welt literarisch ärmer. Dieser Preis ehrt nicht Bob
       Dylan, er ehrt die Literatur. Toll.
       
       14 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dirk Knipphals
       
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