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       # taz.de -- Kommentar Parlamentswahl in Russland: Der totale Stillstand
       
       > Putins Staatspartei erhält über die Hälfte der Stimmen – damit ist der
       > Weg in die alleinige Herrschaft frei. Protest regt sich im apathischen
       > Volk kaum.
       
   IMG Bild: Regieren ohne Opposition: Russlands Ministerpräsident Medwedew (l.) und Präsident Putin
       
       Die Kremlpartei „Einiges Russland“ (ER) fuhr ein überwältigendes Ergebnis
       ein. Mehr als die Hälfte der Wähler gab der Staatspartei bei der Dumawahl
       ihre Stimme. Zählt man die Direktmandate noch hinzu, erreicht die
       Funktionärspartei eine verfassungsändernde Dreiviertelmehrheit. Mehr war
       wirklich nicht rauszuholen – und das trotz Wirtschaftskrise und ohne
       Aussichten auf eine baldige Besserung. Selbst die System-Stützen aus
       Kommunisten und Nationalisten konnten aus der traurigen Lage keinen Nutzen
       ziehen, im Gegenteil, sie mussten im Vergleich zu den Wahlen 2011 sogar
       noch Federn lassen.
       
       Für die demokratische Opposition sieht es noch düsterer aus. Sie
       verschwindet mit dieser Wahl in der Versenkung. In Zukunft wird sie es noch
       schwer haben, überhaupt Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Degradierung der
       Andersdenkenden zu einem bedeutungslosen Dissidentenklüngel war von
       vornherein Ziel des Kreml.
       
       Der Weg in die allumfassende Herrschaft ohne jegliche Alternative dürfte
       damit nun endgültig frei sein. Nicht zufällig wurde der Wahlerfolg von der
       Ankündigung begleitet, der Geheimdienst werde wieder den alten Status aus
       Sowjetzeiten erhalten: als Ministerium der Staatssicherheit.
       
       Protest dagegen regt sich kaum. Ein Teil der Gesellschaft ist müde und
       apathisch. Der andere verleiht der Obrigkeit die notwendige Legitimität.
       Manch einer leidet überdies am Stockholm-Syndrom. Auch diesmal wurde bei
       der Wahl manipuliert, geschummelt und betrogen. Doch selbst eine noch so
       einwandfreie Abwicklung des Wahlprozederes würde an der gesellschaftlichen
       Konstellation und dem Verhältnis von Führung und Gefolgschaft wenig ändern.
       Die Apathischen sind nicht automatisch Kremlgegner. Über geringen Einfluss
       mögen viele enttäuscht sein. Doch geht es ums Größere oder gar Russlands
       Größe kann die Bevölkerung mit Widersprüchen leben.
       
       Mit dieser Wahl zieht endgültig Stillstand in Russland ein, der auch die
       nächste Präsidentschaftsperiode Wladimir Putins bis 2024 noch überdauern
       könnte. Und Stillstand im Innern verheißt stürmische Winde in der
       Außenpolitik.
       
       19 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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