# taz.de -- Foodwatch-Studie zur Tierhaltung: Krank im Stall
> Ein Viertel der tierischen Lebensmittel kommt von kranken Nutztieren,
> sagt die Verbraucherorganisation Foodwatch. Veterinäre bezweifeln das.
IMG Bild: Armes Schwein: Tiertransport in den Schlachthof
Berlin taz | Mindestens jedes vierte Lebensmittel mit tierischen Zutaten
stammt der Verbraucherorganisation Foodwatch zufolge von einem kranken
Nutztier. „Der Beleg ist eine rein rechnerische Ableitung aus der
Studienlage“, sagte Vizegeschäftsführer Matthias Wolfschmidt nach der
Vorstellung seines Buches „Das Schweinesystem“ am Donnerstag der taz.
Demnach macht mindestens jede zweite Milchkuh einmal im Jahr Krankheiten
wie Lahmheit oder Fruchtbarkeitsstörungen durch, die durch die
Haltungsbedingungen verursacht würden. Rund 10 Prozent der Milch stamme von
einer Kuh mit entzündetem Euter. Schlachthofbefunden zufolge habe ungefähr
die Hälfte der Schweine beispielsweise an chronischen Gelenkerkrankungen
oder Organveränderungen gelitten. Statistisch gesehen sei zudem mindestens
jedes vierte Hähnchen vorher ein krankes Tier etwa mit Brustbeinschäden
gewesen. 40 Prozent der Eier seien von einer Henne mit Knochenbrüchen
gelegt worden, die der Kalkmangel infolge des ständigen Legens verursacht.
Laut Foodwatch gibt es weder zwischen konventioneller und Biohaltung noch
zwischen kleinen und großen Betrieben signifikante Unterschiede.
Entscheidend sei vielmehr, wie gut der Viehhalter die Tiere betreue.
„Die Tiere werden nicht geschlachtet, wenn sie akut krank sind. Wir reden
jetzt nicht über gesundheitliche Risiken für die Verbraucher, also nicht
über bakteriologische, virologische und sonstige Geschichten“, erläuterte
Wolfschmidt, der Veterinärmedizin studiert hat. Solche Schlachtkörper
würden bei der Fleischbeschau aussortiert. Stattdessen gehe es zum Beispiel
um Rinder, die etwa Lungen- und Leberentzündungen überstanden haben. „Da
werden die betroffenen Organe verworfen, und das Fleisch wird natürlich
verwendet.“ Dahinter stehe ein massives Tierschutzproblem.
## Milch von kranken Kühen?
Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte bezweifelt aber insbesondere
die Behauptung, dass massenhaft Milch von kranken Kühen in die
Lebensmittelkette gelange. „Das ist schlicht und einfach verboten“, sagte
Verbandspräsident Siegfried Moder der taz. Denkbar sei allenfalls, dass
Milch aus einem Euter verkauft wird, das beispielsweise 5 bis 6 Tage nach
einer Erkrankung eine erhöhte Zahl körpereigener Zellen aufweise. Eine
Zellzahl von über 400.000 kann eine Entzündung bedeuten. Da diese Milch
aber mit der anderer Kühe gemischt werde und die Zellzahl von den
Molkereien kontrolliert werde, bestehe keine Gefahr für die Verbraucher.
„Wenn ich von einem kranken Euter spreche, brauche ich eine Diagnose und
Entzündungssymptome, die ich bei 400.000 Zellen nicht unbedingt habe“, so
Moder.
Dass Biotiere nicht gesünder sind als konventionelle, hatte Ute Knierim,
Professorin für Biotierhaltung der Universität Kassel bereits [1][im April
in der taz] festgestellt. Sie wies allerdings auch darauf hin, dass
beispielsweise Schweine in Ökobetrieben ihre natürlichen Bedürfnisse besser
ausleben könnten. Diese Tiere hätten unter anderem mehr Platz im Stall und
bekämen Auslauf.
„Wer in den Bauern einfach Tierquäler sieht, liegt falsch“, sagte
Wolfschmidt. Die Tierhalter seien Opfer eines Systems, das falsche Anreize
setze. „Vor allem der Handel ist verantwortlich für einen Wettbewerb, der
sich nicht um Qualität, sondern nur um den Preis dreht – das kann nur
zulasten von Tieren, Bauern und letztlich auch Kunden gehen.“ Die
„Tierwohl“-Initiative der Supermarktketten hält er nur für Kosmetik. Die
Initiative bezahlt Bauern unter anderem dafür, dass sie ihren Tieren etwas
mehr Raum geben.
Stattdessen müsse die EU eine tiergerechte Haltung etwa mit mehr Platz
vorschreiben, auch für Importe aus Drittstaaten. Wie viele Tiere an
haltungsbedingten Krankheiten leiden, solle für jeden Betrieb erfasst
werden. Jeder müsse Standards einhalten, die sich von den Werten der besten
Betriebe ableiten. „Die Mehrkosten müssen am Ende wir Verbraucher bezahlen,
denn wir schulden Tieren eine bessere Behandlung“, forderte Wolfschmidt.
23 Sep 2016
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DIR Jost Maurin
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