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       # taz.de -- Bürgerbegehren für Insel-Hebammen: Insulaner wollen wieder Babys
       
       > Drei Männer haben eine Initiative für die Rückkehr der Geburtshilfe auf
       > die Nordfriesischen Inseln gestartet. Der weite Weg aufs Festland sei
       > unverantwortlich.
       
   IMG Bild: Auf Sylt und Föhr werden keine Babys mehr geboren: Die Insulaner wollen das ändern und die Geburtshilfe zurückholen.
       
       HAMBURG taz | Drei Männer wollen, dass auf den schleswig-holsteinischen
       Inseln Sylt und Föhr wieder Babys zur Welt kommen. Lars Schmidt ist einer
       der drei Initiatoren eines Bürgerbegehrens, das die Gruppe jetzt beim
       Landkreis Nordfriesland angemeldet hat. Ihr Ziel ist es, die medizinische
       Versorgung im Kreis zu verbessern und die Hebammen auf die beiden
       Nachbarinseln zurückzuholen.
       
       „Wir sind selber Insulaner, haben unsere Kinder hier bekommen“, sagt
       Schmidt, der auf Sylt lebt. „Das wünschen wir uns auch für unsere Enkel.“
       
       Im Januar 2014 stellte die Asklepios Nordseeklinik die Geburtshilfe auf
       Sylt ein. Entbindungsstationen sind ein finanzielles Minusgeschäft. Seither
       müssen werdende Mütter zwei Wochen vor der Geburt aufs Festland fahren,
       denn die nächste Klinik mit Geburtshilfe ist in Husum. Bekommen die
       Schwangeren auf der Insel die Wehen, müssen sie per Rettungshubschrauber
       ausgeflogen werden.
       
       Auch die Geburtshilfestationen auf Föhr und in Niebüll sind dicht. Beide
       gehören zum öffentlichen Klinikum Nordfriesland. Die kleine Station in Wyk
       auf Föhr habe nicht über einen Kinderarzt und ein Operationsteam verfügt,
       erklärt Landkreissprecher Hans-Martin Slopianka die Schließung. Dies sei
       aber in den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und
       Geburtshilfe als Standard festgelegt.
       
       „Falls bei der Geburt die Bauchschlagader der Mutter platzt“, müsse schnell
       geholfen werden, sagt Slopianka. Zwar sei auf Föhr, wo bisher 50 bis 60
       Babys pro Jahr geboren wurden, bisher nie ein solcher Fall eingetreten,
       aber das Haftungsrisiko sei zu groß. „Man befindet sich dann schnell im
       Bereich der Fahrlässigkeit.“ In Niebüll liegt der Fall anders. Dort fehlen
       derzeit zwei Hebammen. Die Station sei nur vorübergehend geschlossen, sagt
       Slopianka.
       
       „Man stelle sich vor, es geht irgendwas schief“, kritisiert Insulaner
       Schmidt, der sich für die Wählergemeinschaft Zukunft Sylt engagiert und
       schon mal als Bürgermeister kandidierte. Die fehlende Versorgung für
       werdende Mütter sei „unverantwortlich“. Zwar wisse er, dass die
       Geburtshilfe teuer sei, aber Menschenleben seien nicht in Geld aufzuwiegen.
       
       Der Landkreis solle die „flächendeckende Hebammenversorgung“ auch dadurch
       fördern, dass er die Berufshaftpflicht der Geburtshelferinnen übernimmt,
       fordert Schmidt. Denn die ist es, die vielen Hebammen die Ausübung ihres
       Berufs erschwert und somit die Ansiedlung freier Hebammen verhindert. Laut
       dem Verband für öffentliche Versicherer (GDV) ist der jährliche Beitrag in
       den vergangenen elf Jahren von 1.352 Euro auf 6.274 Euro gestiegen. Viele
       freiberufliche Hebammen können diese Summe nicht aufbringen.
       
       In dem Bürgerbegehren fordert Schmidt außerdem vom Landkreis, an den
       Standorten Husum, Niebüll, Tönning und Wyk auf Föhr die Regelversorgung der
       Krankenhäuser und eine Notaufnahme im 24-Stunden-Betrieb zu erhalten. Zudem
       sollten auch onkologische und gynäkologische Behandlungen an diesen
       Standorten möglich sein.
       
       Schmidts Antrag ist beim Landkreis eingegangen und wird im nächsten Schritt
       vom schleswig-holsteinischen Innenministerium auf seine formale Richtigkeit
       überprüft. Schmidt und seine Unterstützer können aber jetzt schon mit dem
       Unterschriften sammeln beginnen. Sie brauchen rund 5.500, um einen
       Bürgerentscheidung zu erwirken (siehe Kasten).
       
       Landkreissprecher Slopianka will die Erfolgschancen der Initiative nicht
       vorweg beurteilen. Nur so viel: „Das Haftungsrisiko wird nicht geringer
       werden“, sagt er. Auch der Landkreis sei nicht glücklich darüber, dass die
       Geburtshilfe so stark eingeschränkt wurde. „Wir wissen, dass es für die
       Frauen hart ist“, sagt Slopianka. „Aber das Risiko ist zu hoch.“
       
       9 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Scharpen
       
       ## TAGS
       
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