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       # taz.de -- Gesundheit von Kühen: Bio ist kein Allheilmittel
       
       > Entzündete Euter, kaputte Beine – eine Studie zeigt, wie schlecht es auch
       > Öko-Tieren geht. Forscher fordern konkrete Vorgaben für Krankheitsfälle.
       
   IMG Bild: Bis der Euter platzt. Hoffentlich ist er nicht entzündet
       
       Berlin taz | Die durchschnittliche Biokuh ist nicht gesünder als ihre
       Artgenossen auf herkömmlichen Höfen. „Trotz der deutlich besseren
       Haltungsstandards unterscheiden sich die Erkrankungsraten auf ökologischen
       Milchviehbetrieben nicht von den hohen Erkrankungsraten in der
       konventionellen Milchviehhaltung“, teilte Professor Albert Sundrum von der
       Universität Kassel zum Abschluss eines [1][internationalen
       Forschungsprojekts] unter seiner Führung mit. So hätten in den untersuchten
       deutschen Betrieben 23 bis 74 Prozent der Kühe kranke Euter gehabt.
       
       Die Wissenschaftler prüften, wie häufig die Kühe auf mehr als 200
       Ökobetrieben in Deutschland, Frankreich, Schweden und Spanien in einem Jahr
       zum Beispiel an Euterproblemen oder Lahmheiten litten. „Die Ergebnisse der
       Studie sind ernüchternd“, so die Forscher. Zu ähnlichen Schlüssen waren
       zuvor auch Untersuchungen zu anderen Tierarten gekommen.
       
       Wer Bio kauft, will damit aber meist eine „artgerechte Tierhaltung“
       unterstützen, die er bei der konventionellen Landwirtschaft nicht vermutet.
       Das belegt etwa die Umfrage [2][Ökobarometer 2016.] Dazu passen keine
       entzündeten Euter und Kühe, die humpeln, weil sich ihre Klauen schmerzhaft
       verändert haben.
       
       In der Studie variierten die Erkrankungsraten zwischen den Betrieben enorm.
       Die Bandbreite „lasse sich weder durch regionale Gegebenheiten noch durch
       die Betriebsgröße erklären“, so die Wissenschaftler.
       
       ## Kein Anreiz zur Pflege
       
       Wenn das Futter nicht die nötigen Nährstoffdosen enthält, könne das das
       Immunsystem belasten und Euterentzündungen begünstigen, sagt Forscherin
       Susanne Hoischen-Taubner, die an der Studie beteiligt war. Schlechte
       Stallhygiene könne Lahmheiten verursachen.
       
       Vielen Milchviehhaltern fehlt laut den Forschern aber der Anreiz, in die
       Gesundheit ihrer Tiere zu investieren. Denn die Molkereien zahlen den
       höheren Biopreis weitgehend unabhängig davon, wie es den Tieren geht. Zwar
       geben kranke Kühe oft auch weniger Milch und müssen früher geschlachtet
       werden. Doch ist es oft immer noch teurer, in die Gesundheit der Tiere zu
       investieren. Also sind Bauern im Vorteil, die billiger produzieren, indem
       sie ihre Kühe schlechter behandeln. Die Forscher kritisieren das als „eine
       unfaire Wettbewerbssituation“.
       
       Um Landwirte zu motivieren, Krankheiten vorzubeugen, haben die
       Wissenschaftler ein Computerprogramm entwickelt. Damit können die Bauern
       ausrechnen, welche Maßnahmen sich in ihrem Betrieb am ehesten rentieren.
       Dabei geht es um häufigere Klauenpflege, trockeneres Stroh für die
       Liegeboxen oder mehr Gruppen, in denen die Kühe individueller gefüttert
       werden können.
       
       ## Nicht ohne Antibiotika
       
       Nicht viel halten die Wissenschaftler von homöopathischen und pflanzlichen
       Medikamenten. „In wissenschaftlichen Studien mangelt es weiterhin an
       belastbaren Nachweisen der Wirksamkeit“. Zudem fehle vielen Landwirten die
       Kompetenz, um solche Mittel effizient einzusetzen. „Ganz ohne Antibiotika
       wird auch die ökologische Landwirtschaft künftig nicht auskommen“, so
       Forschungsleiter Sundrum.
       
       Die Wissenschaftler verlangen deshalb konkrete Vorgaben für die Landwirte,
       wie häufig die wichtigsten Krankheiten vorkommen dürfen. „Die Bioverbände
       könnten das in ihre Richtlinien aufnehmen oder die EU in die
       Ökoverordnung“, sagte Hoischen-Taubner der taz.
       
       Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist bereit, darüber zu
       diskutieren. Es sei aber schwierig, „eine genaue und nachvollziehbare
       Grenze“ zu ziehen, ab der Bauern sanktioniert werden sollen. Die
       EU-Kommission ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme zunächst
       unbeantwortet.
       
       Trotz der Mängel hält Forscherin Hoischen-Taubner Bio-Viehhaltung für
       sinnvoll: „Die Lebensbedingungen der Tiere sind von den Voraussetzungen her
       erheblich besser.“ Ein Ökoschwein habe mehr Möglichkeiten, sein normales
       Verhalten auszuleben.
       
       9 Oct 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.impro-dairy.eu/index.php/en/
   DIR [2] http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Oekobarometer2016.pdf?__blob=publicationFile
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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