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       # taz.de -- Auschwitz-Prozess gegen Hubert Zafke: Stillstand in Neubrandenburg
       
       > Der Prozess gegen einen früheren SS-Sanitäter platzt nach mehreren
       > Befangenheitsanträgen. Nun muss das Verfahren ganz von vorne beginnen.
       
   IMG Bild: Nur eingeschränkt verhandlungsfähig? Der 95-jährige Angeklagte Hubert Zafke
       
       Berlin taz | Der Prozess gegen einen früheren SS-Sanitäter des
       Vernichtungslagers Auschwitz ist geplatzt. Das Verfahren gegen Hubert Zafke
       vor dem Landgericht Neubrandenburg muss ganz von vorne beginnen. Wann dies
       geschehen soll, ist „ist nicht vorherzusagen“, heißt es in einer
       Presseerklärung des Gerichts vom vergangenen Donnerstag. Ob es überhaupt
       dazu kommen wird, ist angesichts des Alters des Angeklagten fraglich.
       
       Das Gericht und die Staatsanwaltschaft warfen sich gegenseitig vor, an der
       Verzögerung des Verfahrens schuld zu sein. „Warum sich die
       Staatsanwaltschaft Schwerin dem möglichen Vorwurf der Öffentlichkeit
       aussetzt, sie torpediere das von ihr selbst eingeleitete Verfahren,
       erschließt sich mir nicht“, schrieb der Pressesprecher des Landgerichts,
       Carl Christian Deutsch.
       
       Dazu erklärte die Staatsanwaltschaft Schwerin, es sei ihre Pflicht, „von
       den prozessualen Möglichkeiten“ Gebrauch zu machen, „wenn sie den Eindruck
       habe, „dass das Gericht mit den von ihr und den Nebenklägern gestellten
       Anträgen nicht objektiv und neutral umgeht“. Vertreter der Nebenklage
       erklärten, dass „von diesem Gericht keine Gerechtigkeit“ zu erwarten sei.
       
       Zuvor hatten Staatsanwalt und Vertreter der Nebenkläger mehrere
       Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt. Sie warfen ihnen vor, das
       Verfahren einzig mit dem Ziel der Einstellung zu führen. Die Beratungen
       über diese Anträge hätten das Verfahren so weit verzögert, dass eine
       fristgemäße Fortsetzung unmöglich gewesen sei, heißt es nun in einer
       Mitteilung des Gerichts.
       
       ## Beihilfe zum Mord in mindestens 3.581 Fällen
       
       In dem Prozess ist Hubert Zafke wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.581
       Fällen, begangen 1944 in Auschwitz, angeklagt. Der heute 96-Jährige soll
       als SS-Sanitäter dafür gesorgt haben, dass die Mörder aus den Reihen der SS
       reibungslos ihrem Tun nachgehen konnten, heißt es in der Anklage.
       
       Das Verfahren gegen Zafke schleppt sich seit Monaten dahin. 2015 lehnte das
       Landgericht die Eröffnung der Hauptverhandlung ab. Erst ein Beschluss des
       Oberlandesgerichts Rostock zwang die Neubrandenburger Justiz zu dem
       Prozess. Bei Beginn der Hauptverhandlung fehlte dann der Angeklagte, weil
       er, so die Verteidigung, erkrankt sei.
       
       Beim Neustart des Verfahrens im September zweifelte der Richter ein
       ärztliches Gutachten an, nach dem Zafke eingeschränkt verhandlungsfähig
       sei. Es sollte „die Verhandlungsunfähigkeit herbeigeredet werden“,
       beklagten die Vertreter der Nebenkläger Thomas Walther und Cornelius
       Nestler den jetzigen Stillstand.
       
       Schwere Vorwürfe erhob das Internationale Auschwitz-Komitee gegen das
       Gericht. Es habe ein „jämmerliches Kapitel“ der deutschen Rechtsgeschichte
       geschrieben, erklärte Vizepräsident Christoph Heubner. „Von Anbeginn des
       Prozesses war allen Beobachtern mehr als deutlich, dass der Vorsitzende
       Richter einem Prozess in Sachen Auschwitz völlig ablehnend gegenüberstand.“
       
       9 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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