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       # taz.de -- Spanischer Fußballer Gerard Piqué: Vermeintlicher Vaterlandsverrat
       
       > Der Katalane Piqué wird nach dem Länderspiel erneut des Vaterlandsverrats
       > bezichtigt. Er will aus Spaniens Nationalmannschaft zurückzutreten.
       
   IMG Bild: Ärger um angeblich gekürzte Ärmel: Gerard Piqué (l.) mag nun nicht mehr
       
       Barcelona taz | Auch auf Spanisch gibt es den „Tropfen, der das Fass zum
       Überlaufen bringt“. Gerard Piqué sah ihn am Sonntagabend in der albanischen
       Provinzstadt Shkoder fallen. Um genau zu sein, hatte es zwar eher in den
       Gehirnen spanischer Twitterer und Onlineredakteure getröpfelt, die während
       des WM-Qualifikationsspiels eine absurde Polemik vom Zaun brachen. Aber die
       Folgen reichten eben bis Albanien, wo Spanien 2:0 gewann – und Piqué danach
       seinen Rücktritt aus der Nationalelf ankündigte. Einer der besten
       Innenverteidiger der Welt beendet nach der WM 2018 seine Auswahlkarriere.
       
       Ein katalanischer Innenverteidiger, das muss man gleich voranschicken, denn
       bei dem Shitstorm zur Primetime ging es mal wieder um einen vermeintlichen
       Vaterlandsverrat des seit Jahren unter Verdacht stehenden Piqué. Der
       29-jährige Profi des FC Barcelona hat sich für das Recht der Katalanen auf
       ein Referendum ausgesprochen (nie explizit für die Unabhängigkeit), und
       weil er generell ein bisschen vorlaut ist, macht er sich auch manchmal über
       Real Madrid lustig. Das reichte, um ihn zum Objekt hässlicher Fangesänge zu
       machen und zum Opfer in den Madrider TV-Debatten, die mit ihrem geifernden
       Ton problemlos bei Fox News in Amerika laufen könnten. Viele Spanier
       schauen dort zu, viele pfiffen Piqué in den letzten Jahren bei jedem
       Heimspiel aus.
       
       Nachdem er vor dem EM-Spiel gegen Kroatien der spanischen Hymne den
       Stinkefinger gezeigt haben sollte, wurde Piqué nun bezichtigt, die
       Landesfarben von den Trikotbündchen entfernt zu haben. Die Tat sollte er
       heimtückisch geplant haben, indem er sich das langärmelige Leibchen geben
       ließ und dieses dann entsprechend kürzte. Der Aufruhr war so groß, dass er
       auf vielen spanischen Webseiten den Spielverlauf komplett zurückdrängte –
       bis der spanische Verband die Berichterstatter über ein nicht ganz
       unerhebliches Detail informierte, mit der Bitte um Weiterleitung in die
       Heimat: die langen Trikots haben, anders als die kurzen, überhaupt keine
       Bündchen. Sprich: Piqué war, im Sinne der Anklage, komplett unschuldig.
       
       ## „Meine Geduld ist am Ende“
       
       Zum Beweis hielt ein Pressesprecher das Trikot in die Kameras, während der
       eloquente Verteidiger ruhig seine Entscheidung erklärte. „Meine Geduld ist
       am Ende“, sagte er. „Sie haben es geschafft, mir die Freude zu nehmen.“
       Piqué, erster Einsatz in einer spanischen Jugendmannschaft mit 16 Jahren,
       83 Länderspiele, Weltmeister 2010, Europameister 2012, sagte, er habe alles
       versucht. „Ich habe es so lange wie möglich erduldet. Aber jetzt ist es
       gut. Jetzt ist der Moment, basta zu sagen.“
       
       Die Entscheidung verstanden am Montag nicht nur sein Vater Joan
       („Chapeau!“), sondern laut einer Internetumfrage der Marca auch 90 Prozent
       von rund 25.000 Teilnehmern. Dasselbe, Real-nahe, Blatt kondoliert, Piqué
       sei „die perfekte Puppe“ gewesen, „an der alle Welt ihre Frustrationen
       abreagieren konnte“. Anderswo sind es EU oder Flüchtlinge, in Spanien eben
       die Katalanen. „Piqué bezahlt die barbarische Demagogie aus der spanischen
       (Medien-)Kaverne“, wütet in Barcelona Sport, derweil sich der Chefredakteur
       der Madrider As sich nicht nur dafür entschuldigt, dass seine Webseite ohne
       Rücksicht auf die journalistische Sorgfaltspflicht die Trikotmeldung
       gefahren habe, sondern auch die symbolische Dimension des Rücktritts
       erfasst: „Es wäre der erste wegen des ‚katalanischen Konflikts‘, was in
       dieser historischen Zeit tödlich wäre.“ Das Königreich rückt ja fast
       täglich dem Zerfall näher, spätestens 2018 will Katalonien laut Plan der
       Befürworter seine Unabhängigkeit erklären.
       
       Pep Guardiola hat mal gesagt, er spiele gern für Spanien, aber nur, weil es
       keine katalanische Auswahl gebe. So deutlich hat das Gerard Piqué nie
       formuliert. Aber er stünde dann ab Sommer 2018 auf jeden Fall zur
       Verfügung.
       
       10 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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