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       # taz.de -- Studie über ungleiches Einkommen: Das gebrochene Versprechen
       
       > Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung verfestigen sich die
       > Einkommenslagen in Deutschland: Wer reich ist, bleibt es. Wer arm ist,
       > auch.
       
   IMG Bild: Oft steht schon im Kindesalter die soziale Schicht, der man später angehören wird, fest
       
       Der soziale Aufstieg in höhere Einkommensschichten wird schwieriger in der
       Bundesrepublik. Und sehr reiche Leute können sich sicherer sein, ihre
       Einkommensvorteile auf Dauer zu behalten. Dies ergibt sich aus einer
       Erhebung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der
       gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Deutschland ist kein besonders
       gerechtes Land“, so Anke Hassel, wissenschaftliche Direktorin des WSI, am
       Montag in Berlin.
       
       Für den Bericht hatte WSI-Forscherin Dorothee Spannagel unter anderem Daten
       aus dem sozio-ökonomischen Panel (SOEP) analysiert und dabei Zeitreihen aus
       den Jahren 1991 bis 1995 mit denen aus der Zeit zwischen 2009 und 2013
       verglichen. Danach schafft es die Hälfte der Armen nicht, innerhalb von
       fünf Jahren aus der Armut herauszukommen. In den 90er Jahren war dieser
       Anteil der „verfestigten Armen“ geringer gewesen.
       
       „Im Osten Deutschlands stehen die Chancen schlechter, aufzusteigen“, sagte
       Spannagel. Danach verblieb in den 90er Jahren ein gutes Viertel der
       ostdeutschen Armen in dieser Einkommensklasse. In jüngerer Zeit aber kam
       schon mehr als die Hälfte der Betroffenen über vier Jahre hinweg nicht aus
       der Armutsfalle heraus. Als „arm“ bezeichnete die WSI-Forscherin dabei
       Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung
       hatten. Diese „Armutsgrenze“ lag zuletzt bei einem Haushaltsnettoeinkommen
       von monatlich 980 Euro für einen Alleinstehenden.
       
       ## Wer gilt als reich?
       
       Die Höchstverdiener bleiben immer häufiger reich in Deutschland. Als „sehr
       reich“ gelten in der Erhebung Leute mit einem monatlichen Einkommen von
       4.900 Euro netto für einen Alleinstehenden – auch wenn sich solche
       Hochverdiener selbst wahrscheinlich als „Mittelschicht“ bezeichnen würden.
       Zwischen 1991 und 1995 konnten sich etwa die Hälfte der sehr Reichen in der
       obersten Einkommensklasse halten. Was aber auch bedeutet, dass jeder zweite
       dieser Höchstverdiener Einkommensverluste hinnehmen musste. In der
       Zeitreihe von 2009 bis 2013 blieben hingegen 60 Prozent auf ihrem hohen
       Einkommensniveau.
       
       Für Westdeutschland zeigt sich bei den mittleren Schichten eine relativ
       geringe Verfestigungstendenz im Vergleich zu den 90er Jahren. „Für Personen
       in der unteren Mitte sind die Abstiegsrisiken gestiegen, während die
       Chancen, aufzusteigen, gesunken sind“, heißt es in der Studie. In der
       oberen Mitte, das sind Leute mit einem Netto zwischen 1.630 und 2.450 Euro
       im Monat, sind die Abstiegsrisiken, ebenso wie bei den Wohlhabenden,
       inzwischen allerdings „etwas niedriger als noch zu Beginn der 90er Jahre“,
       so das Papier. Das gilt auch für die obere Mittelschicht in Ostdeutschland,
       die sich relativ gesichert wähnen kann.
       
       Die Ungleichheit bei den Einkommen in Deutschland, der Gini-Koeffizient,
       ist laut der Studie auf einem neuen Höchststand (siehe unten). Die Studie
       zeige, „dass die Reichen heute eher reich bleiben und die Armen eher arm
       bleiben“, sagte Hassel.
       
       Die Erhebungen ergaben auch, dass Aufsteiger einen höheren
       Bildungsabschluss haben. Westdeutsch, Mann, vollzeitbeschäftigt,
       angestellt, wer über diese Parameter verfügt, hat relativ gute Chancen,
       dass sich das Aufstiegsversprechen erfüllt. Die Politik müsse mehr tun für
       gleiche Chancen auf Bildung und gegen Arbeitslosigkeit und geringfügige
       Beschäftigung, so Hassel weiter. Spannagel erklärte, die jüngsten Daten des
       Reports stammten zwar von 2013. Doch auch in jüngster Zeit hätten sich die
       Entwicklungen wohl kaum geändert – trotz Rekordbeschäftigung und guter
       Konjunktur.
       
       10 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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