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       # taz.de -- Explodierende Smartphones: Feuer im Reich der Samsung-Dynastie
       
       > Neben Handys baut der Mischkonzern auch Apartments und Schiffe. Seine
       > Krise bedroht Südkoreas gesamte Wirtschaft.
       
   IMG Bild: Alles okay bei Samsung – zumindest in der virtuellen Realität
       
       Chandigarh taz | Um den Stellenwert von Samsung für Südkoreas Wirtschaft
       begreiflich zu machen, braucht es einen Superlativ: Stellen Sie sich vor,
       die Autobauer aus Wolfsburg würden mit Siemens, Bayer und der Telekom
       fusionieren. Die Dimension dieses Superkonzerns wäre vergleichbar – auch
       wenn Samsungs Produktpalette weitaus vielfältiger ist.
       
       In Südkorea baut der Mischkonzern unter anderem Apartments, Freizeitparks
       und Schiffe, schließt Lebensversicherungen ab und betreibt eine
       Universität. Nicht zufällig wird das Land auch als „Samsung-Reich“
       bezeichnet. Kein Wunder, dass viele in Südkorea meinen: Floppt das neue
       Samsung-Smartphone, dann strauchelt die gesamte Wirtschaft.
       
       Das Anfang September auf dem koreanischen und US-amerikanischen Markt
       gelaunchte Galaxy Note 7 war ursprünglich als Angriff auf den erbitterten
       Konkurrenten Apple gedacht. Nun sorgt das Gerät ausgerechnet im Silicon
       Valley für Sektlaune. Erst am Dienstag hat Samsung bekannt gegeben, den
       weltweiten Verkauf des Note 7 endgültig zu stoppen.
       
       Zudem wurde auch der Umtausch von den bereits zweieinhalb Millionen Handys
       gegen neue, vermeintlich „sichere“ Ersatzgeräte abgebrochen. Auch diese
       sind nämlich laut Nutzerberichten in einigen Fällen in Feuer aufgegangen.
       Die US-Flugaufsichtsbehörde sprach gar eine erneute Warnung aus, nach der
       die Smartphones während sämtlicher Flüge weder benutzt noch im aufgegebenen
       Gepäck verstaut werden dürfen.
       
       Allein die direkt zu beziffernden Verluste sind gewaltig: Samsung wollte
       insgesamt 19 Millionen Mobiltelefone verkaufen und 17 Milliarden US-Dollar
       generieren. Stattdessen drohen nun 10 Milliarden Dollar Verlust und der
       Schaden für das Image der Firma ist noch nicht abzusehen.
       
       „Der Name Galaxy wird nun vorerst unweigerlich mit einer verpfuschten
       Rückrufaktion verbunden sein“, meint der in Seoul lebende Journalist
       Geoffrey Cain, der seit vier Jahren an einem Buch über Samsung arbeitet:
       „Langfristig wird die Firma das Fiasko jedoch gut überstehen, schließlich
       haben auch Firmen wie Toyota ähnlich schwere Krisen gemeistert.“
       
       ## Ein Arbeitsvertrag bei Samsung gilt als Ritterschlag
       
       Dass Samsung Krisen überstehen kann, belegt ein Blick auf die
       Firmengeschichte: 1938 gründete Lee Byung Chull einen kleinen Mischladen,
       der schon bald ins Textil-, Lebensmittel- und Versicherungsgeschäft
       expandierte. Der rasante Aufstieg des Unternehmens beginnt während der 60er
       und 70er Jahre, als der Militärdiktator Park Chung Hee – Vater der jetzigen
       Präsidentin Park Geun Hye – einige handvoll loyale Familienunternehmen
       auserwählte, um die Infrastruktur des verarmten Agrarstaats von Grund auf
       zu erneuern.
       
       Von ausländischer Konkurrenz staatlich geschützt, ergatterten Samsung,
       Hyundai, Daewoo und Co. die lukrativsten Aufträge und avancierten zu
       Platzhirschen. Samsung fungierte als Motor, der das Land aus den Ruinen des
       Koreakriegs zur zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt machte. Ein
       Arbeitsvertrag bei der Firma gilt in Südkorea seit Langem als Ritterschlag.
       17 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet das
       Unternehmen, für ein Fünftel aller Exporte ist Samsung verantwortlich. Die
       großen Tageszeitungen des Landes haben eigene Samsung-Korrespondenten, die
       oft in den Presseräumen des Unternehmens stationiert sind.
       
       Die Philosophie der Firma basierte lange Zeit auf einer Mischung aus
       konfuzianischem Erbe und militärischem Drill. Die Arbeitswut der
       Samsung-Manager gilt in Südkorea als berüchtigt, genau wie ihre absolute
       Loyalität gegenüber ihren Vorgesetzten. Im Gegensatz zu den verspielten
       Erlebniswelten von Google und Apple gleicht Samsungs männerbündlerische
       Unternehmenskultur eher einem Militärkorps.
       
       Was lange das Geheimnis hinter dem Erfolg von Samsung war, fällt dem
       Konzern mittlerweile jedoch zunehmend zur Last. Wenige ausländische
       Topmanager möchten auf Dauer für die Südkoreaner arbeiten, und die
       „Glasdecke“ für Frauen, die in der chauvinistischen Welt der
       „Samsung-Männer“ aufsteigen wollen, ist besonders dick. Auch was die
       Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien sowie die Führungskultur der Firma
       angeht, ist Samsung weit entfernt von westlichen Standards.
       
       ## Internes Führungsvakuum
       
       Auf dem Weg zu einem globalen Unternehmen, das sein Image als
       „Raubkopierer“ loswerden möchte, versucht die Firma nun einen neuen, fast
       konträren Weg einzuschlagen: Nach außen inszeniert Samsung sich als
       Start-up, lockert Dresscodes, verbessert den Mutterschutz und eröffnet
       Kreativlabore. Aber: „Es ist schwierig, den Kurs eines riesigen Tankschiffs
       zu ändern“, so Experte Cain, der nicht an eine veränderte
       Unternehmenskultur glaubt.
       
       Die wohl größte Ungewissheit für die Samsung-Dynastie ist das interne
       Führungsvakuum: Seit Mai 2014 liegt Unternehmensvorstand Lee Kun Hee nach
       einem Herzinfarkt im Krankenhaus. Immer wieder kursieren gar in
       südkoreanischen Medien Gerüchte, dass sein Tod aus wirtschaftlichem Kalkül
       vor der Öffentlichkeit verheimlicht wird.
       
       Derzeit wird sein 46-jähriger Sohn Lee Jae Yong als Thronfolger aufgebaut,
       der unter anderem die Kommunikation mit internationalen Konzernen wie Apple
       leitet. Kritiker bezweifeln jedoch, dass er die Führungsrolle seines Vaters
       übernehmen kann: Noch während der Vorwehen der Dotcom-Blase hatte er
       Unmengen an Unternehmensvermögen in den Sand gesetzt.
       
       11 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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